Den Jakobsweg erfahren
so kann man sich nun mal wirklich an der Landschaft laben. Als wir
auf eine längere Gerade kommen, sehen wir von weiten Ute und Meta, die beiden
Ärztinnen von gestern Abend. Wir stoppen kurz auf, verabreden uns am 21.05.
(Montag) um 19:00 Uhr mit ihnen am Vorplatz der Kathedrale, wünschen einander
alles Gute und treten wieder in die Vollen.
Kurz darauf sehen wir ein
Ortsschild, das unsere Aufmerksamkeit auf sich zieht. „Rente“ steht auf der
kleinen weißen Ortstafel. Wir haben die Schilderung unseres Dozenten vom
Pilgersemiar in Münster noch in den Ohren, der nach der Wandelung auf Jakobs
Wegen nur noch halbtags arbeitet.
Wir fahren ja den Camino Frances,
das wiegt deutlich höher. Dann können wir auch gleich ganz in „Rente“ gehen.
Wir lassen von anderen Pilgern ein Foto von uns schießen und kommen deren Bitte
nach einer Ablichtung auch gerne nach. Dann führt uns die Strecke wieder zurück
in einen Wald. Der Jakobsweg, der hier häufig ein Hohlweg ist und manchmal
zusätzlich an den Seiten von Bäumen und Sträuchern total umsäumt ist,
vermittelt das Gefühl, als fahre man durch eine Röhre. Ein wirklich beeindruckendes
Bild. Dann laufen wir auf eine Gruppe Pferdepilger auf. Die können wir in der
Enge nicht überholen. An einer Kreuzung lassen sie uns passieren. Nun sind die
uns im Nacken. Das ist kein schönes Gefühl, denn bei den Abfahrten können wir
uns zwar etwas von ihnen absetzen, bei den Anstiegen schließen sie wieder dicht
zu uns auf.
Weiter geht es über Fuhrten durch
kleine Flüsse und Bäche. Sehr idyllisch.
Irgendwann machen wir einen
taktischen Tinto de Verano – Stop. Hier bekommen wir den Besten unserer Tour.
Den genießen wir und nehmen gleich darauf noch einen. Ein Fußpilger aus
Koblenz, der sein Gepäck mit dem Taxi schon vorgeschickt hat, setzt sich zu
uns. Und wir halten ein Pilgerkurzgespräch. Dann unterbricht ohrenbetäubendes
Hufgetrappel die Konversation. Die Reitergruppe, die wir später erneut
überholen sollten, rauscht an uns vorbei.
Wenige Kilometer nach unserem
Aufbruch treffen wir auf das englische Pilgerpaar. Die Beiden freuen sich, so
wie wir, dass wir uns wiedersehen. Sie sind wirklich gut drauf. Zeit dürfen wir
aber heute nicht vertrödeln so wünschen wir einander alles Gute und ich
verspreche: „No beer today, I promise!“.
Wir kommen am Kilometerstein 100
an. Kaum zu glauben. Das ist ein Foto wert. Hier sind wahnsinnig viele Pilger.
Insgesamt kann man deutlich
spüren, dass die Taxidichte zunimmt. Gepäck wird ein- oder ausgeladen und
ständig muss man an die Seite, um nicht überfahren zu werden. In Portomarin,
einem Ort an einem großen Staussee, treffen wir auf die Mutter des
Pilger-Pärchens aus dem Schwäbischen (Pforzheim). Die nimmt uns zur Begrüßung
gleich wieder in den „Würgegriff“ und heute kriegt jeder von uns noch einen
Schmatzer auf die Wange, ehrlich gesagt, eher nicht so schön!
Das Wetter wird allmählich
schlechter. Der Himmel bezieht sich. So wird es glücklicherweise nicht so heiß,
denn wir haben noch einen langen Weg vor uns.
Zwischendurch machen wir noch
einmal in einem Lokal einen Stop. Hier gibt es Internet und ich will die
Gelegenheit nutzen, um Carlos und Sarah zu mailen, dass wir am Freitag in
Santiago sein werden. Die beiden sind verschollen. Die Mail an Carlos wird
übertragen, die von Sarah kommt direkt zurück. Sie hat komische Druckbuchstaben
verwendet, so könnten es für einige Buchstaben mehrere Möglichkeiten geben. Die
kann ich leider nicht alle durchprobieren, weil der Zugang zeitlich limitiert
ist. Ein Getränk gibt es noch und dann weiter.
Nach 40 Kilometern macht uns Siggi
auf eine Herberge aufmerksam, mit der ich auch liebäugele. Nur bringe ich das
nicht klar zum Ausdruck, sonst hätten wir Timo, der weiter will, überstimmt.
Dann nehmen wir die nächste. Daraus wird aber leider nichts, denn sogar die
nächsten zwei Albergues sind komplett ausgebucht. Die nächste Unterkunft auf
die wir treffen, ist ein deutsch geführtes Hostal. Dort soll die Übernachtung
für uns drei 60 € kosten. Timo’s Kräfte sind schon ziemlich aufgebraucht, so
versuchen wir beiden anderen ihn zu überreden, dass wir die Nacht hier
verbringen. Keine Chance. Er will weiter.
Die Stimmung fällt. Wir müssen
Zwangspausen einlegen, weil er völlig ausgelaugt ist. Nichts mehr zu trinken
und eine unbestimmte Wegstrecke vor uns, so geht es weiter. Schließlich
erreichen wir Melide, wo wir in der großen Herberge einchecken.
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