Den letzten Abschied selbst gestalten
Stunde zu nehmen, auch wenn die Stadt dafür noch mal 49 bis 79 Euro verlangt. Er macht zudem auf einen sonder- baren Brauch aufmerksam, der vor allem in den Städten an-gewandt wird: »Viele Trauernde hoffen, dass sie für die Abschiedsfeier einen späteren Termin am Tag bekommen, da Verwandte oft erst anreisen müssen. Doch die Bestattungs-beamten füllen den Tag grundsätzlich nur von morgens an. Wenn also um 9 Uhr noch keine Trauerfeier vergeben ist, bekommt man etwa einen 11 -Uhr-Termin nur, wenn man die zwei Stunden davor blockt und viermal Gebühren zahlt.« Solche Gepflogenheiten sollte man nicht mehr einfach hinnehmen.
»Die Würde des Toten ist uns am wichtigsten« Mobile Bestatterinnen – »Die Barke«, Schwäbisch Hall
Wenn Sie irgendwo auf der Autobahn einem VW -Bus in einer ungewöhnlich dunkelroten Farbe begegnen, kann es sein, dass Ajana Holz und Merle von Bredow gerade auf dem Weg zur Versorgung eines Verstorbenen sind. Ihnen gehört »Die Barke – Bestattung und Begleitung in Frauenhänden, mobil und bundesweit«. Tatsächlich übernehmen diese Bestatterin-nen aus Schwäbisch Hall Aufträge im gesamten Land und sind nach langjähriger Erfahrung entsprechend findig. »Wenn der Tote zu Hause gestorben ist, wartet man auf uns. Wenn man ihn nach Hause holen möchte, bringen wir ihn hin. Sonst besprechen wir möglichst schon vor der Abfahrt mit den An-gehörigen und den Einrichtungen, welcher Raum sich zum Abschiednehmen eignet. Es gibt in fast allen Krankenhäusern entsprechende Räume. Die meisten wissen nur nichts davon und manche Klinikmitarbeiter haben kein Interesse daran, sie anzubieten.«
Ajana Holz hat sich nach eigenen leidvollen Erfahrungen 1995 entschlossen, die alte Tradition der Leichenwäscherin-nen und Totenfrauen wieder aufzugreifen und mit einer Partnerin ein komplett »weibliches« Bestattungsunternehmen aufzubauen. »Der Umgang mit den Toten ist in der Regel derart lieblos oder sogar brutal, dass das Ganze eher einer Müllent-sorgung gleichkommt«, sagt sie und fühlt sich durch viele Erzählungen und Anrufe in dieser Ansicht bestätigt. Die Mitarbeiterinnen der Barke sind der Meinung, dass alle Tage bis zum Begräbnis gleichermaßen zum »Übergang« eines Menschen gehören und es nicht nur auf die ersten Stunden ankomme. »Wir treffen aber meist innerhalb des ersten Tages am Totenbett ein und kümmern uns um die Versorgung.«
Immer würden sie den Angehörigen anbieten, bei diesem Ritual mitzumachen, nur bei Unfällen sei es manchmal notwendig, eine Erstversorgung vorzunehmen. »Die Würde der Toten ist uns am wichtigsten. Wir behandeln sie so, wie man Lebende behandeln sollte. Wir achten ihre Verletzlichkeit und Scham, bedecken ihren Körper beim Waschen, befreien sie von mögli-chen Windeln und ziehen ihnen ganz normale Wäsche an.«
Ein Informationsblatt der Barke macht deutlich, was die Bestatterinnen alles nicht tun, wenn es nicht eigens gewünscht wird: Körperöffnungen werden nicht ausgestopft, der Unterkiefer nicht hochgebunden, die Lippen und Augen nicht mit Sekundenkleber verschlossen. Es werden keine chemischen Geruchsumwandler und Formaldehyd zur Konservierung verwendet. »Es gibt andere Möglichkeiten der würdevollen Versorgung. Wenn wir die Toten liebevoll behandeln, wenn wir ihren Körper vielleicht noch gemeinsam einölen, dann wird auch der Mensch wieder sichtbar.«
Wenn es irgendwie machbar ist, bemühen sich die Bestat-terinnen um eine Hausaufbahrung. »Das Zuhause ist einfach ein geschützter Ort für einen Toten. Aber wenn der Platz nicht gegeben ist, finden wir andere Lösungen. Wichtig sind uns in jedem Fall ein behutsamer Umgang mit dem Toten und ein sanfter Transport. Wir wissen von vielen traumatischen Erfahrungen Trauernder, die erleben mussten, wie ihr Angehöriger in einem Plastiksack oder auch hochkant im Sarg die Treppen herunter getragen wurde.«
Wenn die Bestatterinnen auf Wunsch auch die Trauerfeier gestalten und vielleicht eine Rede halten sollen, bleiben die beiden vor Ort oder kommen noch ein zweites Mal wieder. »Abschiede gestalten sich immer dann sehr schön, wenn die Angehörigen und Freunde aktiv mitmachen, wenn sie vielleicht den Sarg anmalen, etwas singen, musizieren, ein Gedicht vortragen.« Damit das gelingt, guckt sich Ajana Holz die äußeren Gegebenheiten genau an. »Manche Räume sind viel zu klein, zu hässlich oder stehen halb offen. Es ist auch unglaublich, wie ungepflegt viele Trauerhallen auf den Friedhöfen sind. Die
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