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Den letzten Abschied selbst gestalten

Den letzten Abschied selbst gestalten

Titel: Den letzten Abschied selbst gestalten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalena Koester
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lebensnah wiederherzustellen. Hilfreich sind detaillierte Informationen und eine Fotografie des Verstorbe-nen. Bei rekonstruierenden Maßnahmen geht es um das Kaschieren von Verletzungen, die die Menschen durch Unfälle oder Gewalt erlitten haben. Die Verstorbenen werden mit Nadel und Faden, Klebemitteln, Wachs und verschiedenen Kosmetika so wieder hergerichtet, dass eine offene Aufbahrung und damit ein Abschied für die Angehörigen möglich ist. Dies ist für viele nach einem plötzlichen, gewaltsamen Tod besonders wichtig.
    Auf der Webseite www.postmortal.de wird ein entsprechender Fall beschrieben, bei dem zwei junge Motorradfahrer bei einem Unfall umkamen. Während die eine Familie den Äußerungen des von der Polizei gerufenen Bestatters (»Der Sarg muss geschlossen bleiben wegen der Verletzungen«) Glauben schenkte und ihren Sohn deshalb nicht mehr zu Gesicht bekam, wechselte die andere Familie den Bestatter (was selbstverständlich möglich ist) und konnte sich nach der thanatologischen Behandlung ihrer tödlich verunglückten Tochter am offenen Sarg verabschieden.
    Die thanatologische Behandlung in den USA
    Die Sitte der Einbalsamierung in den USA entwickelte sich in den Unabhängigkeitskriegen, als die Gefallenen über große Entfernungen und bei hohen Temperaturen in ihre Heimat-städte transportiert werden mussten. Aus ähnlichen histori-schen Erfahrungen heraus wird sie – wenn auch in milderer Ausprägung – in Frankreich und Großbritannien angewandt.
    Üblicherweise nehmen in den USA die Angehörigen bei ei-nem vierstündigen »visiting« Abschied von ihren Toten. Dafür lässt man die Verstorbenen von speziell ausgebildeten Thanatopraktikern mit allen möglichen Hilfsmitteln so herrichten, dass sie im besten Fall aussehen, als würden sie nur schlafen. Körperflüssigkeiten werden durch chemische Stoffe ersetzt, das Gesicht kosmetisch behandelt, die Haare frisiert oder durch eine Perücke ersetzt. Viele Amerikaner glauben, dass eine solche Konservierung der Toten aus hygienischen Gründen Pflicht sei. Umweltschützer aber haben wegen der großen Menge an verwendeten Chemikalien eine Diskussion über den Sinn dieser Behandlungen ausgelöst.
    »Bittere Erfahrung« Renate Schürmeyer, Künstlerin, Jeese / Mecklenburg-Vorpommern
    »An diesem Donnerstag war meine Mutter zum ersten Mal wieder bei Bewusstsein. Nach unserem Gespräch schickte sie mich mit den Worten nach Hause: ›Los, fahr jetzt.‹ Als ich dort ankam, rief eine Ärztin an und sagte, sie sei gerade gestorben. Ich war neben meiner Trauer auch glücklich und dankbar, dass uns ein letzter gemeinsamer Nachmittag geschenkt worden war. Sie hatte es mir leicht gemacht. Seit geraumer Zeit wusste ich doch, dass jeder Tag der letzte sein konnte.
    Am nächsten Morgen wollte ich meine Mutter sehen. Dazu musste ich in die Pathologie. Mein Mann und ich standen, warteten, die Schwester brachte uns ihre Sachen. Alles war in Plastiktüten gepackt, mit dem Wort ›Patienteneigentum‹ beschriftet. Jemand beschrieb uns den Weg. Wir verirrten uns auf dem Weg im Keller. Eine Putzfrau brachte uns durch kalte unfreundliche Gänge zur Pathologie. Wir klingelten. Nichts tat sich. Endlich machte eine Frau auf. Wir seien am Hintereingang. Wie wir denn dahin gekommen wären?
    Im Krankenhaushemd erschien mir meine Mutter noch kleiner. Ihr gutes mitgebrachtes Nachthemd hatten sie ihr nicht angezogen. Aber sie sah glücklich und zufrieden aus. ›Du hast es einfach gut gemacht‹, dachte ich. Ich strich ihr über den Kopf und legte Blumen auf ihren Körper. Ich fragte nach dem Totenschein. ›Darum kümmert sich doch das Bestattungsunternehmen, Sie haben doch schon eines informiert‹, bekam ich zur Antwort.
    Das Bestattungsunternehmen bestellte uns zu 15.30 Uhr. Ich wollte gerne einen früheren Termin, damit meine Mutter noch am gleichen Tag überführt werden könnte. Ich wollte sie noch der Tante zeigen. Es ging nicht früher. Und das Überführen noch heute ginge auch nicht. Die Hausmeister würden meine Mutter nicht mehr ausliefern, hieß es. Ich ahnte nicht, dass ich sie sogar erst Dienstag wiedersehen würde.
    Der Juniorchef des Bestattungsunternehmens meinte, er benötige alle Unterlagen von uns zum Abmelden. Ich fragte, warum, er wurde unsicher. ›Ich kann meine Mutter selber abmelden, immerhin hat sie mich geboren und angemeldet, also kann ich sie auch abmelden.‹ Er schluckte.
    Als Beerdigungstermin schlug er Donnerstag 11 Uhr vor. Das sei der erste

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