Den letzten Abschied selbst gestalten
sollten verboten werden«, meinte ein Bestatter, »Entsorgungsfabrik« rief ein anderer, der dritte schimpfte: »Das ist volkswirtschaftlich ein Desaster, ins Ausland zu gehen, wenn die Berliner Krematorien nicht ausgelastet sind.« Der umstrittene Bestatter Hartmut Woite rechtfertigte sich: »Was ist schlimm daran, mehrere Leichen gleichzeitig zu transportieren?« Seine Firma benutze eigens für diesen Zweck zugelassene »Lkws für vier Särge und Langsprinter für acht Särge«. Und überhaupt: Andere Bestatter führen doch auch ins Umland von Berlin zu anderen Krematorien, weil die billiger wären oder schneller arbeiteten. »Ist das ein qualitativer Unterschied zwischen 50 und 200 Kilometern?«, sprang ihm Dr. Hartmut Kreß bei, Professor für Sozialethik an der Universität Bonn. Der Discounter weiter: »Wissen Sie überhaupt, dass 95 Prozent der Verstorbenen, die wir übernehmen, in Tschechien nur verbrannt werden und dann wieder nach Berlin zurückkehren?« Das mochten nicht alle glauben. »Werte-verfall der Gesellschaft«, »Bestatten in fremder Erde, ein Irrweg«, hieß es. Da machte sich der Sozialethiker Luft: »Ich bin allergisch gegen den Begriff Werteverfall und bitte um Entdramatisierung der Debatte.«
»Wir sehen uns als Wegbegleiter« Florian Rauch, Trauerhaus Aetas, München
Aus einer kleinen Gartenvilla, 1910 von den Großeltern gebaut, wurde das Trauerhaus Aetas mit Besprechungszimmern für Angehörige und verschieden großen Trauerräumen für den Abschied. Florian Rauch und seine Mitarbeiterinnen sehen sich als Wegbegleiter, konzentrieren sich auf die intensive Betreuung der Trauernden und ermuntern alle, sich mit einem ausführlichen Abschiedsritual von ihren Toten zu verabschieden. Aetas begleitet die Trauernden auf dem Friedhof oder im Krematorium bis zum Schluss.
Die Münchner Firma gehört zu den Kleinen der Branche und arbeitet vor allem auf Empfehlung. Das Unternehmen bestattet Menschen jeden Alters, ist aber auch auf den Abschied von Kindern und Menschen, die Suizid begangen haben, spezialisiert. Das hat sich inzwischen herumgesprochen. »Wenn wir angerufen werden, fragen wir nach, wer gestorben ist und auf welche Weise, um den Angehörigen die richtige, eigens dafür geschulte Trauerbegleiterin zur Seite zu stellen«, sagt Florian Rauch und erläutert das Konzept von Aetas: »Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Kliniken räumlich meist sehr schlecht ausgestattet sind, erst recht für die Verabschiedung eines Toten. So informieren wir die Trauernden im geschützten Rahmen unseres Hauses, während der Verstorbene zu uns überführt und nicht am Friedhof »hinterstellt« wird, wie das häufig der Fall ist. Das sogenannte Verkaufsgespräch, das bei anderen Bestattern schon mal 90 Minuten dauern kann, geht bei uns am schnellsten. Wir haben drei schlichte Särge aus Kiefer, Pappel oder Erle zur Auswahl. Schmuckurnen verkaufen wir nur auf Wunsch. Stattdessen ermuntern wir die Trauernden, bei der Einkleidung des Verstorbenen zu helfen und dazu eigene Kleidung mitzubringen. Auch das ist ein Stück Trauerarbeit, zu Hause an den Schrank zu treten, die Kleider durchzuschauen und sich zu erinnern, wann man den Toten zuletzt darin gesehen hat. Man kann jegliche Kleidung aus Naturfasern verwenden. Nur Schuhe sind nicht erlaubt, aber schöne warme Socken. Hilfreich ist auch, wenn die Angehörigen zu Hause ein Bild oder einen Spruch heraussuchen und versuchen, ein Sterbebild selbst zu gestalten. Dabei können sie weinen, sich erinnern und vielleicht mit anderen über den Toten sprechen.«
Für den Abschied stehen ein kleiner und ein großer Trauerraum im Nebengebäude zur Verfügung. Die Räume sind neu-tral und freundlich mit Korbstühlen und hellblauen Kissen ausgestattet, der Verstorbene liegt in einem abgetrennten Raum daneben. »Zunächst geht oft nur der nächste Angehörige zu ihm hinein, um sich zu verabschieden, dann entwickelt sich das meist von allein, die Zwischentür bleibt offen und die Menschen wandeln zwischen den Räumen hin und her. Wir drängen die Menschen nicht zu einer schnellen Bestattung. Norma-lerweise sollte sie innerhalb von 96 Stunden stattfinden, gegen eine städtische Gebühr aber kann die Zeit verlängert werden. Bei uns sind die Bestattungen fast alle später, und damit ist auch der Zeitdruck für die Menschen weg«, berichtet Florian Rauch.
Um auch die Abschiedsfeier ohne jeden Zeitdruck gestalten zu können, rät er den Trauernden, sich eine Doppelzeit von einer
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