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Den letzten Abschied selbst gestalten

Den letzten Abschied selbst gestalten

Titel: Den letzten Abschied selbst gestalten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalena Koester
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Termin, den die Pastorin noch frei habe. ›Das geht nicht‹, erwiderte ich, ›es kommen Verwandte von weiter her, sie kann nur am Nachmittag beerdigt werden.‹ Ich sprach dann selbst mit der Pastorin. Ja, am Freitag ginge es um 13.30 Uhr. Wir vereinbarten den Termin für das Trauergespräch. Sie machte einen netten Eindruck auf mich.
    Der Bestatter zeigte uns die Vorlagen für Karten, für die Traueranzeige und den Blumenschmuck. Ich bat darum, alles alleine zu machen. Es war ja das, was ich jetzt für meine Mutter noch tun konnte, mein Abschiednehmen. Er schluckte.
    Danach sprachen wir über unser Familiengrab. Meine Mutter wollte ihr Grab über dem ihres Vaters haben. Dafür mussten ein Stein und ein Kreuz entfernt und später wieder befestigt werden.
    Ich gab dem Bestatter eine Bluse meiner Mutter. Dann schauten wir nach den Särgen, wollten einen einfachen Fichtensarg. Die Modelle waren aber so unschön, dass wir uns für einen Eichensarg entschieden. Dann zeigte der Chef uns Decken und Kissen, mit Rüschen und Krausen, längs- oder quergesteppt. Das Beste wäre doch die eigene Bettdecke, meinte ich, wir nahmen dann aber doch die schlichteste Version.
    Im Haus meiner Tante schrieben wir die Worte für die Anzeige und Trauerkarte. Den Konfirmationsspruch meiner Mutter hatte meine Tante schon herausgesucht.
    Dass die Hausmeister sie heute nicht mehr auslieferten, hatte mich stark getroffen. Nach allem, was ich im Krankenhaus erlebt hatte, hatte ich schon arge Phantasien: Ich wollte auf keinen Fall, dass man ihr die Knochen beim Anziehen der Bluse brach. Ich weiß, es ist eine Hülle, aber es ist die Hülle meiner Mutter und mit ihr soll man ordentlich umgehen.
    Am nächsten Tag rief ich den Bestatter an, teilte ihm mit, ich wolle meine Mutter mit überführen. Das ginge nicht, er hätte nur zwei Plätze im Auto, er brauche jemand, der mit anfassen könne. Ich sagte, ich könne mit anfassen, ich würde meine Mutter auch gerne mit einsargen, so schwer sei sie wirklich nicht. Er wurde unsicher, meinte, es ginge nicht, es sei pietätlos, dass ich meine Mutter einsargen wolle. Ich könnte ja, wenn ich wollte, hinter ihm herfahren.
    Ich war entsetzt. Später erzählte mir dann eine Bekannte, dass sie ihre Schwiegermutter auch gewaschen und eingesargt hätte. Mein Wunsch sei alles andere als pietätlos, der Bestatter aber sei herzlos.
    Montags sagte ich dem Bestatter, dass mir das Hinterherfahren nichts nütze. Er möge meine Mutter jetzt bitte allein holen und mir sagen, wann wir sie sehen könnten. Zudem bat ich um einen Schlüssel zum Aufbahrungsraum der Friedhofskapelle. Er wand sich, erklärte, er habe selbst nur einen Schlüssel. Er hörte nicht auf, sich zu erklären. Schließlich sagte ich: ›Bitte lassen Sie mich in Ruhe, sagen Sie mir, wann ich meine Mutter sehen kann.‹ Ich klang so wie meine Mutter. ›Bitte lassen Sie mich in Ruhe‹, hatte sie gesagt, wenn sie absolut wütend war.
    Als ich nach Haus kam, hatte der Bestatter ausrichten lassen, ich könne jetzt doch mitfahren. Ich war fassungslos, denn ich hatte doch deutlich erklärt, dass ich nicht mehr mitwollte. Wieder fuhr ich mit meiner Schwester zu ihm, es gab Unklarheiten wegen der Sterbeurkunde. Dienstag würden wir endlich unsere Mutter im Aufbahrungsraum sehen und auch einen Schlüssel bekommen.
    Wir erledigten alles bei der Zeitung, der Druckerei und dem Blumengeschäft und fuhren dann zum Aufbahrungsraum. Unsere Mutter sah immer noch schön aus. Donnerstag besuchte ich sie zum letzten Mal und zeichnete sie. Es waren nur noch wenige Stunden, dann war sie für immer unter der Erde. Ich wollte mir ihr Gesicht einprägen. Nebenan wurde eine andere Beerdigung vorbereitet, ich hörte Leute fluchen. Ich räusperte mich. Wenn ich sie hörte, müssten sie mich doch auch hören. Ich sang leise die letzte Strophe von ›Der Mond ist aufgegangen‹. Das Fluchen hörte nicht auf, also sang ich lauter.
    Später fragte ich den Bestatter, wann er den Sarg schließe. Ich wolle dabei sein. Gut, Freitag, gleich um acht Uhr. Es war ein freundlicher Morgen. Der Bestatter gab mir noch kurz Zeit. Dann schoben wir alle Rüschen und Blumen in den Sarg, ich rückte das Lavendelkissen zurecht. Wir ließen den Deckel herunter und verschraubten ihn. Warum das so fest sein muss, verstand ich nicht, er drehte die Schrauben nach. Mit dem Friedhofsgärtner trug er den Sarg in die Kapelle.
    Die Beerdigung war, denke ich, wie unsere Mutter es sich gewünscht hätte. Die

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