Den letzten Abschied selbst gestalten
kein Kollege oder Nachbar dabei war, ist schon ein Symptom unserer Zeit. Die Leute haben oft vergessen, dass man einen Toten auf dem letzten Weg begleitet. Oft wird auch nicht mehr gesungen, viele können die Kirchenlieder nicht, die unsere Kirche für eine Beerdigung empfiehlt. Ich finde es aber völlig in Ordnung, wenn die Trauernden ihre eigene Musik spielen lassen möchten. Ich habe dabei allerdings schon groteske Szenen erlebt, wenn etwa eine alte Kassette leiert und alles verzerrt klingt.
Ich mache Beerdigungen sehr gern und bereite mich so gut wie möglich darauf vor. Leider sind die Abschiedszeiten in den Trauerhallen ja im 20 -Minuten-Rhythmus festgelegt, da bleibt nur wenig Spielraum. Ich bin auch schon wütend geworden, als der Schaffner (Angestellter, der auf den Einsatz der Musik oder Orgel achtet) hinten nervös mit den Fingern trommelte, weil es ihm nicht schnell genug ging. So etwas geht einfach nicht. Diese Schaffner treten dann am Ende auch vor, wenn sich der Vorhang vor dem Sarg oder der Urne schließt und mancher poltert einfach drauflos: ›Die Trauerfeier ist zu Ende.‹ Das ist mir peinlich, und so übernehme ich oft selbst die Regie.
In meiner Rede nenne ich die Tote oder den Toten beim Namen und spreche auch die Angehörigen an. Ich muss den Leuten vertrauen und glauben, was sie mir berichtet haben. Natürlich kann es sein, dass da manches geschönt wird, aber so wird es eben geschildert. Einmal kam ein Mann auf mich zu und sagte: ›Das stimmt doch gar nicht, was Sie da erzählt haben, der war ja ganz anders.‹ Ich bemühe mich, über das Gute im Leben des Verstorbenen zu sprechen, aber verschweige auch das Dunkle nicht. Beim letzten Geleit besteht für jeden die Möglichkeit, Frieden mit dem Verstorbenen zu schließen, falls sich zu dessen Lebzeiten nicht die Gelegenheit dazu bot.
Ich bestatte nicht nur Kirchensteuer zahlende evangelische Christen. Grundsätzlich ist es so: Wer ausgetreten ist, hat keine Pflichten gegenüber der Kirche, aber auch keine Rechte mehr. Wenn ich aber dennoch um Beistand gebeten werde, überlege ich, was hätte denn Jesus wohl getan? Dann frage ich die Angehörigen, die oft selbst noch in der Kirche sind, ob es denn der verstorbenen Person recht gewesen wäre, kirchlich begleitet zu werden, oder ob dies gegen ihren Willen wäre. Dann würde ich es nicht machen. Als ich mal einen Vorgesetzten nach dem richtigen Vorgehen in einem solchen Fall gefragt habe, riet er mir, ohne Talar mitzugehen. Aber das mache ich nicht, es soll keine Beerdigung zweiter Klasse sein. Allerdings spreche ich um der Klarheit willen am Grab aus, dass der Verstorbene nicht mehr in der Kirche war.«
Der Kritische: Anton Aschenbrenner, ehemaliger katholischer Pfarrer, Waldkirchen
Gleich in den ersten Jahren als junger katholischer Pfarrer in Niederbayern wurde Anton Aschenbrenner eine denkwürdige Lektion erteilt. Wenn es einen Trauerfall in seiner Gemeinde gab, hatte er die Angewohnheit, zunächst in Ruhe mit den Hinterbliebenen zu sprechen und sich dabei ein Bild von der verstorbenen Person zu machen. In seinen Reden stellte er dann vor allem die Besonderheiten heraus, die diesen Menschen ausgezeichnet hatten. Doch seinem Vorgesetzten passte das gar nicht. »Er hat nicht von den Menschen zu predigen!«, hieß es, sondern »von der christlichen Lehre«.
Diesem ersten Konfliktpunkt folgte ein sehr viel größerer, seine langjährige, zunächst unausgesprochen tolerierte Beziehung zu einer Frau. Das Paar heiratete schließlich auch, als es ein gemeinsames Kind erwartete. Es folgte die Suspendierung als katholischer Pfarrer und die schwierige Suche nach einer neuen Existenz. Inzwischen findet Aschenbrenner sein Auskommen als freischaffender Theologe, der weltliche Hochzeitsfeiern für jene ausrichtet, denen das Standesamt allein zu wenig ist, der Pilgerwege mit kleinen Gruppen erwandert, Erholungstage für Trauernde anbietet und Trauerfeiern ausrichtet – als Zeremonienmeister und Trauerredner. Außerdem hat er zusammen mit dem jungen Bestatter Manuel Kasberger aus Passau das Unternehmen »Trauerwald« gegründet, das ähnlich wie ein Friedwald oder Ruheforst eine Bestattung in freier Natur anbietet.
Nach mehreren hundert Beerdigungen während seiner 15 -jährigen Dienstzeit als katholischer Pfarrer besitzt Aschenbrenner eine Ahnung von dem, was Menschen sich wünschen. Er beobachtet ein starkes Bedürfnis der Trauernden, sich in Ruhe von dem Toten zu verabschieden. »Die gängige
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