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Den letzten Abschied selbst gestalten

Den letzten Abschied selbst gestalten

Titel: Den letzten Abschied selbst gestalten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalena Koester
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sondern Ausdruck eines Widerstands gegen die Anonymisierung des Sterbens und der Bestattung. Für uns ist die Frage, können und wollen wir alles machen, was die Ange-hörigen wollen? Wir sollten einerseits Treue bei unseren eigenen Glaubensüberzeugungen zeigen, aber auch auf die Bedürfnisse der Menschen eingehen. Viele unserer Pfarrer besitzen eine souveräne innere Freiheit und entscheiden danach, aber es gibt wie überall auch bei uns Kleinlichkeit.
    Warum ist eine Bestattung heute so selten mit einem Trauer-gottesdienst in der Kirche verbunden?
    Ich erinnere mich, wie es in den 50 er Jahren für mich als Kind selbstverständlich war, einen Toten in der Kirche zu verabschieden. Häufig gab es auch gar keine anderen Räume. Auf dem Land ist das ja auch zum Teil heute noch so. Es waren dann praktische Erwägungen, die Abschiedszeremonie in die oft neu entstandenen Trauerhallen oder Kapellen der Friedhöfe zu verlegen. Der Sarg steht ja meist schon dort und die Wege zum Grab sind kurz. Wenn wir uns in der Kirche ver-sammeln, ist das aufwendig und teurer. Der Sarg muss vom Kühlraum des Friedhofs oder eines Bestatters zur Kirche und danach wieder zum Friedhof gefahren werden, auch die Trauer-gäste und der Pfarrer brauchen Zeit, um zum Friedhof zu kommen. Da passiert es nicht selten, dass Trauernde nach einer Stunde in der Kirche sagen, ach, das schenke ich mir jetzt, auf den Friedhof gehe ich nicht mehr mit. Das ist für die Angehörigen sehr schmerzlich.
    Also werden die Kirchen weiterhin selten genutzt?
    Nein, es ist schon ein Trend zur Trauerfeier in der Kirche zu erkennen. Ich selbst bin ein leidenschaftlicher Befürworter einer größeren Nutzung der Kirche. Die Aura eines Kirchenraumes kann durch nichts anderes ersetzt werden. Diese Räume sollten wir auch den »kirchlich ungeübten« Menschen verstärkt anbieten und sie wieder deutlicher als öffentliche Erinnerungsräume für die Toten anbieten.
    Könnten Sie für ein besseres Angebot nicht auch einen höheren Preis verlangen?
    Das ist nicht so einfach. All jene, die ihr Leben lang Kirchensteuer bezahlt haben, wollen von uns zur Taufe, Hochzeit und beim Begräbnis begleitet werden. Das gilt auch für die meisten »treuen Kirchenfernen« oder »Distanzierten«, wie wir sie nennen. Und die sagen alle, »warum soll ich noch mal extra für etwas bezahlen, wenn ich doch immer Steuern bezahlt habe«.
    Auf welche Begleitung nach dem Tod können sich die Menschen denn bei Ihnen verlassen?
    Wir wünschen uns, dass wir als Evangelische Kirche den ganzen Trauerprozess begleiten. Das geht schon in der Zeit los, wenn der Tod sich anbahnt, wenn die Menschen erkennen, dass sie sterben werden, wenn für die Angehörigen der Tod ins Leben hineinragt. Wir sollten ihnen beistehen, wenn der Tod eine bestimmende Macht wird. Nach der Bestattung geht die Nachsorge weiter, wenn wir beim nächsten Sonntagsgottesdienst an die Verstorbenen der Woche erinnern. Erst recht wichtig ist es, die Angehörigen ein Vierteljahr nach dem Todesfall zu besuchen. Wie oft hat mir in meiner Zeit als Pfarrer ein Hinterbliebener gesagt, »das Schlimmste ist morgens allein am Tisch zu sitzen«. Diese Zeit braucht es erst einmal, um die Trauer zu spüren und zu durchleben. Natürlich werden viele unserer Pfarrer sagen: »Wie sollen wir denn das alles auch noch leisten?« Da müssen wir uns fragen, was ist wichtiger? Was sind die Arbeiten, die uns so viel Zeit kosten? Wie können wir das besser organisieren? Sicher ist, dass wir in der Evangelischen Kirche die Aus- und Fortbildung verstärken müssen, um eine zugewandte und seelennahe Bestattungspraxis zu gewährleisten.
    Wie gehen Sie mit der Frage um, ob die evangelische Kirche auch aus der Kirche ausgetretene Menschen beerdigen sollte, falls die Angehörigen dies wünschen?
    Dies ist noch ein großer Differenzpunkt innerhalb unserer Kirche. Ich habe da eine wohl wagemutige Auffassung, wenn ich frage, wem dient die Beerdigung denn, wenn nicht den Trauernden? Soll man die Bitte einer protestantischen Familie um diesen seelsorglichen Dienst verweigern, weil der Verstorbene keine Kirchenmitgliedschaft mehr besaß? Noch schwie-riger ist die zunehmend in Großstädten auftauchende Situation, dass Nichtkirchenmitglieder für Nichtkirchenmitglieder um eine kirchliche Bestattung bitten. Manche Pfarrer werden das aus Überzeugung, manche aus Besitzdenken ablehnen, an-dere sehen darin auch missionarische Möglichkeiten. Immerhin steckt ja die Ansicht dahinter,

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