Den letzten Abschied selbst gestalten
Praxis aber macht es ihnen häufig sehr schwer. Das Krankenhaus ruft sofort den Bestatter an, und der Tote wird in kürzester Zeit ›verräumt‹. Wenn die Angehörigen noch in der Klinik oder später den Bestatter bitten, den Toten noch mal zu sehen, heiße es oft ›das passt jetzt leider gar nicht‹.« Aber es gibt auch Aufwind in der Bestattungsszene, wie der Theologe dankbar registriert. »Menschen möchten in ihrer Ganzheit gesehen und als Tote gewürdigt werden. Die Angehörigen wiederum suchen Trost, den ich ihnen auch geben möchte.« Wenn er heute als Trauerredner auftrete, unterscheide sich das fundamental von seiner Zeit als katholischer Pfarrer. »Ich muss nicht mehr missionieren. Ich will keine Theorie mehr über das Jenseits verkünden, sondern zuhören, was die Angehörigen mir erzählen.« Er würde auch keine Messe mehr in der Kirche halten und »Gott verherrlichen, während der Tote draußen in der Kälte liegt«. Stattdessen freut er sich über schön gestaltete und möglichst auch warme Trauerräume, in denen eine gute Atmosphäre den Abschied von dem Toten erleichtere. »Ich verwende viele Symbole in meiner Ansprache und binde die Trauernden, wenn sie es möchten, in kleine Rituale ein. Das ist mir sehr wichtig. Denn wenn ich einem Verstorbenen eine würdige Beisetzung ermögliche, ehre ich zum einen sein Lebenswerk, zum anderen helfe ich den Angehörigen, ihre Trauer zu leben.«
Aschenbrenner setzt sich damit deutlich von den Vorstellun-gen der Katholischen Kirche ab, bei der weiterhin Flügelkämpfe zwischen liberaleren Vorkämpfern und konservativen Bewahrern herrschen.
So machte 2004 der langjährige Vorsitzende der Deutschen katholischen Bischofskonferenz, Karl Kardinal Lehmann, im Vorwort zur »Orientierungshilfe Bestattung« eine liberale Vorgabe: »Die persönlichen Lebensdaten und das Lebensschicksal können im Ritus der Bestattung, in der Ansprache sowie in den Liedern und Gebeten ihren Raum finden. Gerade die Namensnennung in den liturgischen Gebeten macht deutlich, dass der Verstorbene nicht in die Anonymität des Vergessens fallen wird.« In der »Pastoralen Handreichung zum Umgang mit Tod und Begräbnis« des katholischen Bistums Trier, herausgegeben von dem jetzt dem Erzbistum München vorstehenden Bischof Reinhard Marx, heißt es dagegen 2007: »Bei der Predigt, die in der Heiligen Messe für einen Verstorbenen nicht fehlen sollte, soll der Aspekt der christlichen Hoffnung im Vordergrund stehen und nicht der Lebenslauf oder der Charakter des Toten. Es sollte vermieden werden, über den Verstorbenen persönliche Aussagen zu machen, die man nur aus dem Kondolenzgespräch weiß und nicht selbst verifizieren kann. Angesichts des Todes sind wir sensibel für die Trauer der Menschen, verkünden ihnen aber vor allem das neue Leben in Christus.«
Auch in der Evangelischen Kirche gibt es viele Beispiele dafür, dass der Name der Toten nur in vorgefertigte »Bestattungsworte« eingesetzt wird, ohne auf den Menschen richtig einzugehen. Das liest sich in der Bestattungsagende der Evangelischen Kirche Baden-Württemberg (neben einer guten Auswahl von Klage- und Vertrauenspsalmen) dann so:
»Gott, der Herr über Leben und Tod,
hat … aus diesem Leben gerufen.
Wir legen ihren Leib in dieses Grab.
Erde zur Erde, Asche zur Asche, Staub zum Staube.
Wir befehlen … in Gottes Hand.
Jesus Christus wird sie auferwecken an seinem Tag.
Er sei ihr gnädig im Gericht
und nehme sie auf in seine ewige Gemeinschaft.«
Erfahrungen mit kirchlichen Bestattungen
Antje, 34 Jahre
»Ich habe bisher nur misslungene Beerdigungen erlebt und fand die christlich-salbungsvollen und unpersönlichen Worte von Pfarrern ziemlich unerträglich. Das Persönlichste, was ein Pfarrer z.B. über meinen verstorbenen Onkel sagte, war, dass er mit einer evangelischen Frau verheiratet, aber dennoch ein guter Katholik gewesen sei. Es war so absurd.«
Fabienne, 55 Jahre
»Was mich in die evangelische Kirche zurückführte, waren Erfahrungen mit zwei ›alternativen‹ Beerdigungen. Obwohl es schöne Abschiede waren, wurde mir plötzlich klar, ich möchte eines Tages Gott bei meiner Beerdigung dabeihaben. Mein Grundglaube als Kind war, dass Gott Liebe ist, und dieses alte Gottvertrauen war nie richtig weg.«
Ewald*, 58 Jahre
»Schon bei meinem Vater hatte ich mich so über die nichtssagende Rede des Pfarrers geärgert. Als dann überraschend meine Schwester starb, haben wir uns extra zu mehreren um den Tisch
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