Den letzten Abschied selbst gestalten
dank des Zuzugs osteuropäischer Juden wieder ein wenig wachsen konnten – Schätzungen sprechen von etwa 120 000 Deutschen jüdischen Glaubens – verändern sich etwa unter den russlanddeutschen Juden die eigentlich schlichten Begräbnisrituale mit Waschung und Gebeten. Sie werden »pompöser«, wie Corinna Kuhnen beobachtet. Obwohl nach jüdischer Auffassung weder Kränze noch Grabpflege und nur einfache weiße Totenkleidung erwünscht sind, werden Tote heute öfter in Uniform und mit Orden bestattet. Es gibt sehr viel Blumenschmuck und auffällige Grabsteine mit kyrillischer Inschrift und Fotos der Verstorbenen. Zum Zeichen des Gedenkens legen alle Juden beim Besuch des Grabes kleine Steine auf dem Grabmal ab.
So wie bei Juden und Muslimen eine Verbrennung offiziell verboten ist, ist es bei Buddhisten und Hindus umgekehrt üblich. Und so streng die Bestattungsgesetze bei ersteren sind, so liberal sind sie gerade bei Buddhisten. »Die Familie bestimmt, wie eine Beerdigung abläuft«, sagt Corinna Kuhnen. Die Reli-gionswissenschaftlerin hat vor allem die Tradition der Vietnamesen und Thailänder beobachtet, die mit rund 80 000 und 40 000 Glaubensanhängern die größten buddhistischen Bevöl-kerungsgruppen bei uns bilden. »Da es kaum Mönche in Deutschland gibt, verabschieden die Thailänder ihre Toten häufig ohne deren Beistand.« Die zu Pagoden umfunktionierten kleinen Häuser am Rande unserer Städte haben oft zu wenig Platz, so dass ein geeigneter Raum für den Abschied gemietet werden muss. Die Trauerfeiern laufen sehr individuell ab, es kann gebetet und gesungen werden. »Die Vietnamesen wiede-rum sind zentralistisch organisiert«, sagt Kuhnen. »Sie verabschieden ihre Toten oft in der größten deutschen Pagode in Hannover. Damit alle kommen können, wird der Termin häufig auf abends verlegt.« Die trauernde Familie trägt weiße Stirnbänder, Hüte und Kleidung, die Trauergäste können in jeder Farbe kommen. Der Tote wird in schöne traditionelle Gewänder gehüllt, der Sarg mit einer bunten Decke bedeckt.
Der Hinduismus in Deutschland wird vor allem von Tamilen aus Sri Lanka und Indern repräsentiert. Es sind zusammen etwa 100 000 Menschen, die kaum überregionale Verbindun-gen haben. Rituale und Andachten werden häufig zu Hause durchgeführt. Erst allmählich entstehen hinduistische Tem-pel, die entsprechende Feiern im größeren Rahmen erlauben. Manchmal werden Totenpriester aus der Heimat eingeflogen, im Allgemeinen aber übernehmen die Älteren den Abschied. Die Toten werden gewaschen, geölt und schön eingekleidet, dann werden ihnen einige Reiskörner als Wegzehrung auf die Lippen gelegt. Ganz wichtig sind Blumen. »Blumen stehen für das Leben, oft wird der ganze Raum damit geschmückt«, sagt Corinna Kuhnen. Eigentlich sollten Hindus sofort nach der Feier verbrannt werden, was in den deutschen Krematorien oft nicht möglich ist. »Wer einen verstorbenen Hindu gekannt hat, sollte unbedingt an der Bestattungsfeier teilnehmen«, rät Kuhnen. »Wer kommen kann, kommt. Zwei- bis dreihundert Trauergäste sind keine Seltenheit.« Allgemein sei es bei allen Migrantengruppen in Deutschland üblich, viele Menschen zur Beerdigung einzuladen. »Daher ist der Geräuschpegel bei den Trauerfeiern auch sehr viel höher, als wir es gewohnt sind.«
Die Sozialbestattung
Sogenannte »Soziale Bestattungen« nehmen drastisch zu – für Menschen, die ohne zahlungsfähige Angehörige und selbst so arm waren, dass sie eine Bestattung »von Amts wegen« bekommen. Die Stadt Berlin musste 2006 fast jedes zehnte Begräbnis mit durchschnittlich 1000 Euro unterstützen. Das waren bei 2600 Todesfällen Kosten von 2,5 Millionen Euro. In München gab es 2007 rund 400 Sozialbestattungen, in Dresden 300 in Bremen 270 . Die einsamen Toten werden in der Regel eingeäschert und die Urnen meist anonym für zehn Jahre in Sammelnischen oder Gräbern aufgehoben.
Bei der Tagung »Verarmt, verscharrt, vergessen« 2007 in München berichtete ein Bestatter aus Nordrhein-Westfalen, dass es oft ethische Probleme mit Sozialbestattungen gebe. Das Sterbeamt in seiner Stadt habe zum Beispiel auf einer Ein-äscherung und Verstreuung der Asche in den Niederlanden bestanden, obwohl gar keine Unterschrift des Verstorbenen dafür vorlag, wie das Gesetz das vorschreibe. Erst nach mehrmaliger Intervention habe man den Kurs geändert und bestehe nicht mehr auf der billigsten Verbrennung.
Auch den Kirchen bereiten die stark zunehmenden
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