Den letzten Abschied selbst gestalten
gehockt, als der Pfarrer am Tag vor der Beerdigung seine Aufwartung machte. Er schien aufmerksam zuzuhören und fragte sogar nach den Hobbys unserer Schwester. Ich hätte hellhörig werden müssen, als er sich keinerlei Notizen machte. Und tatsächlich leierte er auf dem Friedhof nur die üblichen Formeln herunter und fügte hin und wieder »unsere liebe Schwester« hinzu. Immer wieder ging es darum, ins Himmelreich einzugehen. Klang wirklich so, als sei es ein Geschenk, zu sterben, um endlich dort hinzukommen.«
Der Abschied bei Muslimen, Juden, Buddhisten und Hindus in Deutschland
Eine Familie aus Thailand, zwei Polinnen, ein älteres Ehepaar aus der Türkei und eine Wohngemeinschaft junger Deutscher: Immer öfter wohnen Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft und verschiedenen Glaubens bei uns Tür an Tür. Vielleicht trifft man sich nur beim Sommerfest im Hinterhof, vielleicht aber gibt es auch einmal einen ernsteren Anlass und man wird beim Tod des Kollegen oder der Nachbarin zur Beerdigung eingeladen. Deshalb ein kurzer Überblick über Bestattungsrituale der neben dem Christentum am häufigsten vertretenen Glaubensrichtungen: Islam, Judentum, Buddhismus und Hinduismus.
Muslime und Juden haben sehr genaue und zum Teil ähnli-che Bestattungsvorschriften wie etwa die Bestattung innerhalb von 24 Stunden und das Recht des Verstorbenen auf ewige Ruhe. Aber nur die Juden besitzen die deutschen »Körperschaftsrechte« [2 ] und können eigene Friedhöfe mit ewigem Ruherecht einrichten. Die schnelle Bestattung ist bei uns für alle verboten. Da wundert es nicht, dass rund 90 Prozent der hier verstorbenen Muslime in ihrem Heimatland beerdigt werden. Die Bindung durch dortige Verwandte und neue Ehepartner ist stark, und vor allem werden in den anatolischen Heimatdörfern oft kostenlose Grabstellen zur Verfügung gestellt. Im Sinne weiterer muslimischer Vorschriften wurden inzwischen einige Friedhofsverordnungen deutscher Großstädte angepasst und eigene muslimische Grabfelder eingerichtet. Einzelne Bundesländer erlauben auch die Bestattung in Tüchern bzw. im geöffneten Sarg (siehe auch »Das Bestattungsrecht in den einzelnen Bundesländern«). Die vorgeschriebenen rituel-len Waschungen und Totengebete werden bei uns häufig in Räumen der Moscheen oder auf entsprechend ausgestatteten Friedhöfen durchgeführt. Dort sind die Grabfelder auch so ausgerichtet, dass das Gesicht des Toten in Richtung Mekka schaut. Corinna Kuhnen, Fachfrau für Bestattungsbräuche eingewanderter Religionsgruppen in Bremen, hat herausgefunden, dass Beerdigungen im Tuch gar nicht so oft in Anspruch genommen werden. Städte wie Essen oder Aachen hätten bereits langjährige Erfahrungen damit. »Dort findet nur jede zehnte Bestattung ohne Sarg statt.« Es gebe eben doch eine »rege Anpassung an das, was der Nachbar macht«, meint die Religionswissenschaftlerin. Dazu beitragen würden auch einige Gutachten islamischer Gelehrter, nach denen die Sargbestattung inzwischen erlaubt wird.
Bei den anatolischen Türken gehen die Frauen nicht mit zur Beerdigung, bei anderen Muslimen, wie etwa den iranischen, jedoch schon. Nach dieser Gepflogenheit sollte man sich vor dem Besuch einer islamischen Beerdigung erkundigen, auch danach, ob man in der Trauerfarbe Weiß oder auch in Schwarz oder Grau daran teilnehmen sollte. Eine wichtige Rolle spielt die Zeit der Trauer. Besuche zu Hause werden ebenso erwartet wie das Mitbringen von Speisen. »Eine Einladung zum Essen am Ende der offiziellen Trauerzeit, am 49 . Tag nach dem Tod, gilt als Ehre«, sagt Corinna Kuhnen. Nachdem in der Trauerphase nur ungesüßter Tee getrunken wurde, gibt es zum Abschluss traditionell etwas Süßes.
Auch die Juden kennen die Sitte, den trauernden Angehörigen gekochtes Essen vorbeizubringen, denn in der Trauer- woche sollte niemand von ihnen arbeiten. Aus diesem Grund hat sich in manchen Gemeinden auch ein schönes Ritual erhalten, um die Familie finanziell zu unterstützen. Sie erhält zwei gefüllte Spardosen und entnimmt aus einer so viel Geld, wie sie benötigt. Falls etwas übrig ist, kommt es in die zweite geschlossene Spardose. Viele geben auch das ganze Geld zurück oder tun sogar noch etwas dazu. Niemand weiß bei der Rückgabe, ob und wie viel Geld die Angehörigen genommen haben. Ein weiterer Brauch ist das Zerreißen der Kleider zum Zeichen der Trauer, das heute oft in Form eines kleinen Risses am Halsausschnitt zelebriert wird. Da die jüdischen Gemeinden erst
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