Den letzten Abschied selbst gestalten
Sozialbestattungen Kopfzerbrechen. Weihbischof Reinhard Hauke in Erfurt meint: »Mit 2600 Euro Schonbetrag ist für Sozialhilfebezieher heute keine normale Erdbestattung mehr möglich. Wie bekomme ich da einen katholischen Christen anständig begraben?« Akademische Diskussionen über den Vorrang von Erdbestattung vor der Verbrennung kann er sich nicht leisten. »Bei der Stadt Erfurt heißt es einfach ›namenlos unter Rosen‹, weil das die billigste Bestattungsart ist.« Hauke hat ausgehandelt, dass für einen überschaubaren Betrag zumindest ein Namensschild des Toten auf einer Gemeinschaftsstele angebracht wird. In Erfurt haben sich auch Freiwillige zusammengetan, die die Pfarrer immer dann bei einer Bestattung begleiten, wenn Verstorbene keinerlei Anhang haben.
Beim Modellprojekt »Letztes Geleit« der Evangelischen Kirche in Bremen wird eine bestimmte Anzahl von Urnen gesammelt, um für die Verstorbenen eine gemeinsame Feier möglich zu machen. Sie werden auf dem Friedhof in Bremen-Osterholz bestattet und dabei von Mitgliedern der Initiative begleitet. Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg hat wegen der sich häufenden Sozialbestattungen bereits eine Handreichung für die einzelnen Pfarreien herausgebracht. Darin wird etwa darauf hingewiesen, dass die mittellosen Angehörigen bei einer Sozialbestattung oft nicht einmal informiert werden, wann die anonyme Bestattung stattfindet. Die Begründung laute: »Bei einer Bestattung unter dem grünen Rasen leidet der Rasen zu sehr, wenn Publikum zugelassen wird!« Die Kirche moniert weiter, dass oft nur nach zahlungskräftigen Angehörigen gefahndet wird und gar nicht nach Freunden und Bekannten. In Berlin informieren inzwischen sogar einige Pfarrer und Bestattungsunternehmen die anderen Hausbewohner vom Tod eines Mieters. Da hängt dann ein Zettel im Hausflur: »Wir haben die traurige Aufgabe, den Mietern dieses Hauses den Tod von ... anzuzeigen. Die Beerdigung findet am … um … Uhr auf dem Friedhof … statt.«
Die Verbraucherinitiative Aeternitas hat wegen der Brisanz des Themas einen Ratgeber »Sozialbestattung heute« herausgebracht, in dem die Mindeststandards angegeben sind, aber auch die Rangfolge der »Kostentragungspflichtigen«. Das sind die Angehörigen, die vom Staat verpflichtet werden können, die Kosten einer Bestattung zu übernehmen. Dazu zählen die Ehe- und Lebenspartner / -innen, Kinder, Eltern, Geschwister, Enkelkinder und Großeltern. Selbst Erwachsene, die seit ihrer Kindheit keinen Kontakt mehr zum Vater hatten, weil dieser sie seelisch oder körperlich misshandelt hatte, wurden von Gerichten schon zur Zahlung der Bestattungskosten verpflichtet.
Die Broschüre weist aber auch auf den Paragraphen 74 SGB XII des Bundessozialhilfegesetzes hin, in dem es heißt: »Die erforderlichen Kosten einer Bestattung werden übernommen, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen.« Betroffene sollten also die konkreten Umstände schildern und für ihr Recht eintreten.
Freie Trauerredner
»Man muss in diesem Beruf gut zuhören können, und ich weiß aus Erfahrung, bei diesen Geständnissen ist Vorsicht angesagt, man darf nicht sofort nachbohren. Es sind meist die Erzählungen, die in die Be-erdigungsreden kaum Eingang finden, die ich unterschlagen muss, die aber die eigentlich spannende Grundierung liefern, sie sind das Fundament. Man sieht es nicht, und doch trägt es das ganze Gebäude einer Grabrede, die sich nicht anbiedert oder gar schlicht lügt.«
(Aus dem Buch »Rot« von Uwe Timm)
Gleich mehrere hundert freie Trauerredner bieten heute ihre Dienste in Deutschland an, frei nach dem Motto Dietrich Bonhoeffers: »Das Wort, das dir hilft, kannst du dir nicht selber sagen.« Damit hat sich eine neue Tradition herausgebildet, die zunächst vor allem in der DDR gepflegt wurde. Inzwischen sind nach Schätzungen der Redner-Verbände zwei Drittel aller Trauerfeiern in den neuen Bundesländern, in Berlin und Hamburg frei gestaltet. Im Bundesdurchschnitt findet etwa jede dritte Trauerfeier mit einem Trauerredner statt. Je nach Ausrichtung übernimmt dieser sowohl die Gestaltung christlich-religiöser als auch interkultureller oder weltanschaulich ungebundener Abschiede (die Honorarempfehlungen der einzelnen Verbände liegen dafür zwischen 200 und 400 Euro).
Seit 1996 gibt es beispielsweise die Bundesarbeitsgemeinschaft Trauerfeier e. V. ( BATF ), die inzwischen 75 Mitglieder hat. Der Verband legt Wert darauf,
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