Den letzten Abschied selbst gestalten
Fußweg mit 14 Stationen erinnert mit Symbolen und Sprüchen zunächst an die Zeit, »als noch alles in Ordnung schien«. Dann aber führt er durch den Trauerprozess mit all seiner Wut, Angst und den mitunter wiederkehrenden Schuldgefühlen. Meditative Stationen mit Gedichten und Skulptu-ren wechseln sich ab mit aktiven Plätzen, wo man ähnlich wie an einer Klagemauer schmale Kartonstreifen beschreiben und in ein hölzernes Gerüst stecken kann. Auffallend oft heißt es auf den Notizen: »Ich will mir Zeit lassen.« Ein betont unwirtliches steiniges Areal mit einem geschlossenen grau gestri- chenen Bretterzaun steht für die zeitweilig empfundene Ab-geschnittenheit vom normalen Leben. Zwei Gucklöcher nach draußen erinnern daran, dass es noch eine andere Welt gibt, in die man als Trauernder vielleicht doch wieder einmal zurückfindet. An anderer Stelle wird vorgeschlagen, einen Stein oder ein Blatt zu Füßen einer Statue abzulegen, einem Symbol, dem man vielleicht die persönliche Geschichte des Verzeihens oder der Klage anvertrauen möchte. Der Weg mündet in einen runden Platz mit Bänken, öffnet sich sozusagen wieder für den weiteren Lebensweg. Der Lebensgarten wurde auch für Freundinnen und Freunde oder Nachbarn eines trauernden Menschen konzipiert, die dessen Verhalten besser verstehen und Berührungsängste abbauen möchten.
Unter dem Begriff »Mein letzter Garten« tut sich sodann ein Landschaftsgräberfeld von über 5000 Quadratmetern auf, dessen Pflege komplett von den Friedhofsgärtnern übernommen wird. Auch hier wurde Wert auf symbolische Tiefgründigkeit gelegt. Die Besucher können sich ihre Grabstelle links und rechts eines kleinen Bachlaufs aussuchen, der mit einem zweistufigen Wasserfall beginnt und in einem trockenen Bachbett versiegt und so den Weg aller Menschen beschreibt. Neben Gräbern mit eigenem Stein gibt es anonyme und sehr viele halbanonyme Urnengräber. Die wechselnde Bepflanzung und Größe der Gemeinschaftsgräber, zusammen mit einer Vielgestaltigkeit von Grabmalen, beeindrucken. Hier stehen Namen und Lebensdaten zum Beispiel auf einzelnen flachen, quadratischen oder runden Steinen, die wie Dominosteine aneinanderlehnen und sich gegenseitig zu stützen scheinen. Andere Namen erscheinen auf übereinanderstehenden Würfeln oder werden in das Holz querliegender Eichenstämme geschnitzt.
Friedhofsleiter Matthäus Vogel erklärt im Interview die Hintergründe:
Was waren die Motive für die Umgestaltung der Karlsruher Friedhöfe?
Die Gesellschaft hat sich stark verändert, familiäre Struk-turen nehmen ab und pflegeleichte wie pflegefreie Grabstellen sind gefragt. Also machen wir entsprechende Angebote und sorgen dafür, dass sich die Angehörigen in angemessener Weise von ihren Toten verabschieden können. Noch vor einigen Jahren hatten auch wir noch den halbstündigen Takt für eine Trauerfeier. Der beträgt jetzt grundsätzlich eineinhalb Stunden. Der Abschied am Grab selbst kann nun so lange dauern, wie die Angehörigen das möchten. Und in unserem Info-Center am Eingang des Hauptfriedhofs können die Menschen alle Fragen rund um den Friedhof stellen.
Haben die meisten Städte da nicht einiges verschlafen?
In den letzten Jahren haben die Kommunen von allen Seiten enormen Druck bekommen. Die Hauptfehler für die momentanen Probleme liegen bei der Öffentlichen Hand selbst. Den Friedhöfen hat man lange Zeit gar kein Interesse entgegengebracht. Was nicht unbedingt gemacht werden musste, wurde nicht gemacht. Trotzdem stiegen die Gebühren ständig, ohne eine angemessene Gegenleistung. Das liegt auch an den internen Strukturen. Oft ist die Friedhofsverwaltung im Wirtschaftsdezernat oder sogar im Entsorgungsbereich angesiedelt, obwohl das Ganze eigentlich zur Kultur gehört. Es wird zu sehr auf Kostendeckung und wirtschaftliche Ergebnisse geachtet. Die Funktion steht über allem. Dienstleistung aber verlangt hochmotivierte Mitarbeiter. Viele müssen wieder lernen, sich für ihre Arbeit zu begeistern.
Wie bleiben die Friedhöfe konkurrenzfähig?
Die Friedhöfe dürfen nicht länger als kostenrechnende Einrichtungen geführt werden, sondern müssen in ihrer Funktion als öffentliches Kulturgut auf eine teilweise steuerfinanzierte Grundlage gestellt, also bezuschusst werden. Friedhöfe sind Non-Profit-Unternehmen, die die Nutzer nur mit den tatsächlich angefallenen Kosten einer Bestattung belasten sollten. Wenn aber viele Nutzer wegbleiben, müssen die anderen umso mehr bezahlen.
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