Den letzten Abschied selbst gestalten
Gärtnern und dann als Ruhestätte dienen. Da wird der Tod wahrlich ins Leben zurückgeholt. Eine geradezu zwangsweise Zusammenführung gäbe es bei dem prämierten Vorschlag, U-Bahn-Linien durch einen gläsernen Tunnel mit dahinterliegenden Grab- und Urnenkammern zu führen.
Der große Renner aber sind »Urnengemeinschaftsgrabanlagen«, ein deutsches Mammutwort, für das sich hoffentlich ein anderer prägnanter Name findet. Gute Chancen hat sicher die »Friedhofs- WG« ein Begriff, den die Berliner geprägt haben. Solche Ruhegemeinschaften sind unterschiedlich groß, manche umfassen nur sechs Urnenplätze, andere 50 oder 100 . Kleinere Ensembles werden häufig auf dem Areal verwaister Erdgräber angelegt, so dass es zu einem Mix verschiedener Grabanlagen kommt. Oft findet sich auch ein Platz in einem abgelaufenen Urnenfeld oder einer historischen Grabanlage. Ideale Bedingungen für ein Gemeinschaftsgrab gibt es auf freien Wiesenflächen. Hier lassen sich regelrechte Parklandschaften erstellen, etwa mit Urnenplätzen entlang trockener Bachläufe oder im Umkreis von Trauerweiden. Entweder wird dabei trotz der gemeinsamen gärtnerischen Pflege jedes Grab namentlich gekennzeichnet oder der Ruheplatz des Einzelnen ist nicht exakt erkennbar, die Namen der Verstorbenen werden jedoch auf kleinen Tafeln, einem Naturstein oder einer Stele zusammen verewigt. Letzteres nennt man halbanonyme Gräber. Sie zeichnen sich durch ein gemeinsames, repräsentatives Zentrum aus, an dem auch Blumen abgelegt werden können. Vor allem die Entlastung von der Grabpflege spricht für solche Gemeinschaftsgräber, für die sich der Verein Aeternitas sogar mit einer eigenen Webseite einsetzt (siehe Anhang).
Viele Menschen fühlen sich immer seltener einem bestimmten Heimatort verbunden, sondern definieren sich eher durch Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe oder Denkweise. Eine wichtige Zielgruppe für Gemeinschafts- oder Freundschaftsgräber sind also Menschen mit ähnlichen Interessen, Ideen und Lebensweisen. Solche Gruppen pflegen ihre eigenen Rituale und wollen ihre Verbundenheit auch auf dem Friedhof zeigen. Da möchten vielleicht Anhänger einer Religion oder politischen Strömung näher beieinander liegen, Menschen aus der gleichen Straße, Wohngemeinschaften, Bewohner eines Stifts, Mitglieder von Sport-, Musik- und Kultur-Vereinen, Frauengruppen, Schwule oder Lesben, Chormitglieder, die Doppelkopfrunde oder der Kegelclub. Diesen gruppenspezifi-schen Grabanlagen ohne Pflege gehört wahrscheinlich die Zukunft.
In verschiedenen Teilen Deutschlands gibt es bereits Beispiele dafür.
Auf dem Hamburger Hauptfriedhof in Altona hat man die Marktlücke frühzeitig erkannt und ein 5000 Quadratmeter großes Gelände für die Fußballfans des Hamburger Sportvereins HSV zur Verfügung gestellt. So wie es Steh- und Sitzplätze im Stadion gibt, entstehen dort Einzelgräber wie auch Urnengemeinschaftsgräber auf dem nachgebildeten Areal eines Fußballfeldes. Ein »Spielfeld« mit rundherum terrassierten »Grab-rängen« und einem stilisierten Tor soll den Fans ein gemütliches letztes Zuhause geben, zu dem sie sich – ob im Sarg oder in der Urne – von Friedhofsangestellten in stilechten HSV -Trikots tragen lassen können.
In Kornwestheim bei Stuttgart entstand ein Urnengarten mit 155 kleinen Karrees für Urnen, die von Beginn an mit den gleichen Bodendeckern bepflanzt wurden und mit ihrer hellen Umrandung wie eine Decke aus regelmäßigen weiß-grünen Rechtecken wirken. Sobald ein Platz belegt wird, kommt dort nur ein unauffälliger flacher Stein mit dem Namen hinzu.
In Leipzig findet schon mehr als die Hälfte der Beisetzungen in Urnengemeinschaftsanlagen statt. Dort hat man leicht erhöht angelegte kreisrunde Grabstellen für je zwölf Urnen auf einer großzügigen Wiese verteilt, mit jeweils einem jungen Baum in der Mitte, Namensplatten rundum und vier kleinen Altären für Blumen. Auf dem Bergfriedhof in Tübingen wiederum entstand ein vielbeachteter »Garten der Zeit«, bei dem man sich für eine der vier Beisetzungsflächen Frühling, Sommer, Herbst und Winter entscheiden kann. Diese sind mit Stauden und Gehölzen der jeweiligen Jahreszeit bepflanzt.
Elegante Lösungen zur Nutzung historischer Grabstätten als Gemeinschafts- oder Freundschaftsgrab hat die Berliner Architektin Gudrun Erler entwickelt. Sie arbeitet mit Inschrifttafeln aus farbbeschichtetem Sicherheitsglas, das vor die alten Inschriften gesetzt wird und sich mit jedem
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