Den letzten Abschied selbst gestalten
Das geht nicht. Unsere Aufgabe ist es, die Friedhöfe wieder zu einem für jedermann erreichbaren und bezahlbaren Ort der Erinnerung und der Trauer zu machen, wo eine aktive Auseinandersetzung mit dem Tabuthema Tod und Trauer möglich ist. Damit haben wir auch manch zweifelhaften Bestattungsideen etwas entgegenzusetzen. Denn wenn jemand meint, er müsse seine Asche zu einem Diamanten pressen lassen, hat das doch in erster Linie mit unseren vernachlässigten Friedhöfen zu tun.
Sparen an allen Ecken und Enden. Der Münchner Waldfriedhof
Der hundertjährige Münchner Waldfriedhof gehört mit 164 Hektar zu den größten in Deutschland. Vierzehn Eingänge führen zum Alten und Neuen Teil der weitläufigen Anlage. Der Alte Teil besitzt den größeren Pomp, eine schöne Halle und viele sehenswerte Prominentengräber. Hier liegen etwa die Schriftsteller Michael Ende und Lena Christ, die Nobelpreisträger Werner Heisenberg und Paul Heyse, die Maler Franz von Stuck und Franz von Lenbach, Kurt Huber, Mitglied der Weißen Rose, und die Regisseurin Leni Riefenstahl. Ein besonders schönes Denkmal bekamen der Dichter Frank Wedekind und seine Frau Tilly – bei ihnen tänzelt Pegasus, das geflügelte Pferd, auf einer goldenen Kugel.
Im Neuen Teil dominiert dagegen 60er-Jahre-Beton. Die Räume des Verwaltungsgebäudes liegen unmittelbar neben dem langen Aufbahrungsgang für die Verstorbenen der letzten Tage. Während der Dienstzeiten kann dort jeder entlang wandern und sich ein Bild davon machen, was das eigentlich heißt: »Der Sarg wird nun in die Kühlräume des Friedhofs überführt.« Fünfzehn Särge stehen aufgebockt und verschlossen hinter Glas, jeweils umgeben von sechs schmalen, exakt aufgereihten Buchsbäumen. Manche Särge brechen fast zusammen unter Blumenkränzen in mitunter erstaunlichen Farbzusammenstellungen, andere tragen hübsche kleine Gestecke und nicht wenige sind komplett schmucklos.
Der Leiter des Waldfriedhofs, Peter Mergel, arbeitet seit mehr als 20 Jahren in diesem Bereich. »Früher hat es viel mehr Abschiede am offenen Sarg gegeben, aber jetzt kommt das in dreißig Fällen vielleicht einmal vor«, berichtet er. Doch nicht nur das habe sich geändert. Da die Stadt noch ganz nach dem Wirtschaftsprinzip arbeitet und den Friedhöfen, die immer weniger Einnahmen haben, keine weiteren Zuschüsse gibt, muss an allen Ecken und Enden gespart werden. »Früher hatten wir hier einmal dreißig Mitarbeiter für die Pflege, jetzt sind es noch zehn.« So werde nur das Nötigste gemacht. Mergel weist auf das schadhafte Pflaster vor der Aussegnungshalle hin, auf überall heraussprießendes Unkraut, auf Löcher in der Teerdecke der Wege. Es gibt allerdings auch weniger Besucher, die sich hier ein Bein brechen könnten. »Früher war an Allerheiligen so viel los, dass wir an jedem Tor Mitarbeiter postieren mussten, die den Leuten behilflich waren. Heute fahren alle über die Feiertage weg und stellen höchstens vorher lang brennende Lichter auf.«
Der Waldfriedhof hat 60 000 Grabplätze und bereits 17 000 anonyme Bestattungen auf der Wiese. Um diese Entwicklung aufzuhalten, gibt es jetzt auch Baumbestattungen. Bei Gemeinschaftsgrabplätzen werden bis zu acht Urnen um einen Baum herum beigesetzt. Die Gebühr für 50 Jahre beträgt pro Be-stattungsplatz 700 Euro. Ein Familienbaum mit acht Plätzen für 50 Jahre kostet 2800 Euro. Alle Verstorbenen erhalten ein kleines Namensschild am jeweiligen Baumstamm und zusätzlich auf Wunsch eine Steinplatte im Waldboden.
Die Aussegnungshalle im Neuen Teil des Waldfriedhofs ist ein großes und zweckmäßiges Gebäude. Obwohl es weniger Bestattungen gibt, herrscht auch hier der schnelle Zeittakt. Das Kreuz an der Stirnseite kann für Nichtgläubige mit einem Griff durch einen Vorhang verdeckt werden. Nahebei gibt es ein muslimisches Grabfeld mit der Ausrichtung nach Mekka und dementsprechende Trauerfeiern. »Die Muslime benutzen die Aussegnungshalle meist gar nicht. Sie bahren ihre Toten gern draußen unter dem großen Vordach auf«, berichtet Mergel. Ganz in der Nähe liegt ein hübscher naturbelassener Teich, in dem der Verwalter selbst Fische ausgesetzt hat. »Hier kann man wunderbar abschalten.« Verantwortung lastet auf der bunt zusammengewürfelten Schar von Mitarbeitern genug. Denn hier erfahren wir erstmals, dass die meisten Bestatter überhaupt nicht auf dem Friedhof erscheinen. »Die fragen die Angehörigen, was sie wollen, welcher Glaube, welche Blumen, welche Musik und
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