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Den letzten Abschied selbst gestalten

Den letzten Abschied selbst gestalten

Titel: Den letzten Abschied selbst gestalten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalena Koester
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oder Lichter abzustellen.« Er habe auch beobachtet, dass an solchen Wänden niemand stehenbleibe. »Der Friedhof aber lebt nicht von den Toten, sondern den Lebenden. Er ist ein Ort der Kommunikation, und die findet eher vor einem individuellen Grab statt.« Da könne man auch leichter mit dem Verstorbenen reden, seine Trauer, Wut oder auch mal seine Freude ausdrücken.
    Rudolph verfolgt als Steinmetz natürlich eigene Interessen, aber er scheut sich nicht, auf Fehler hinzuweisen. »In unserem Beruf wurden jahrzehntelang Fehler gemacht. Was wir dabei für Steinwüsten auf den Friedhöfen geschaffen haben!« Jeder müsse jetzt dabei helfen, den Friedhöfen ein neues Gesicht zu geben. Sein Hauptaugenmerk gilt den »zukunftsorientierten Urnengrabplätzen«, für deren Gestaltung er schon einige Auszeichnungen erhalten hat. Ein Vorzeigeobjekt ist die sogenannte integrierte Urnenbestattung auf dem nur vier Hektar großen Katholischen Friedhof in Kempten. Wie auch in anderen Städten lagen dort viele Grabfelder für Erdbestattungen brach, für die Urnen aber fehlte der Platz. Also hat man die Urnenplätze ins Erdgräberfeld integriert. Aber doch mit allerhand Auflagen. »Wir wollten keine liegenden Steine, sondern nur aufrechte.« Warum? »Es stört die Optik und es besteht große Unfallgefahr, wenn die Besucher zwischen liegenden und stehenden Grabmalen herumlaufen.« Die Steine müssen mindestens 1,20 Meter hoch und sollten höchstens 40 Zentimeter breit sein, was einer schlanken Stele entspricht. Darüber hinaus scheint alles erlaubt zu sein, Holz, Glas, Schmiedearbeiten, Materialienmix, Ornamente, Symbole, Sprüche. »Ich biete inzwischen allen Auftraggebern an, an ihrem Gedenkstein mitzuarbeiten oder bei der Arbeit zuzuschauen. Viele scheuen sich zuerst und wehren ab, aber dann merken sie, wie wohltuend das für ihre Trauer ist.«
    Das Entscheidende bei den integrierten Urnengräbern aber ist deren Variabilität. Sie sind mit 120 mal 80 Zentimetern kleiner als übliche Gräber und werden in drei Formen angeboten: einer Steineinfassung, einer unauffälligen Bandeiseneinfassung für eine individuelle Gestaltung oder ganz ohne Pflanzfläche mit einem begehbaren Untergrund aus Kies oder Wiese, der von der Gemeinde unterhalten wird. »Viele sagen, wir wollen etwas Pflege machen und entscheiden sich für eine Einfassung. Wenn die Leute älter werden oder wegziehen, kann das Grab dann jederzeit eingeebnet werden.« Und umgekehrt. »Manche bedauern nach einer Weile, dass sie keine eigene Pflanzfläche haben und lassen nachträglich eine Umrandung anlegen«, hat Hermann Rudolph nun schon öfter erlebt.
    Auch bei Erdbestattungen brauche man pflegeleichte Angebote. Überhaupt müssten viele Friedhofskonzepte überdacht werden, meint der Steinmetz. »Warum werden denn alte Friedhöfe in den Großstädten so gut angenommen? Weil sie zum Spazierengehen und Verweilen einladen. Auf den Freiflächen, die jetzt entstehen, müssen wir Oasen schaffen, kleine Ruhe-inseln mit geschützten Bänken und schöner Bepflanzung.«
    Grabsteine ohne Kinderarbeit
    Die Freiburger Initiative XertifiX Germany (Adresse im Anhang) entwickelte, aufgrund grauenhafter Berichte über Kinderausbeutung in indischen Steinbrüchen, 2005 die Idee einer Siegelung von Steinen, die garantiert ohne Kinder- und Sklavenarbeit hergestellt sind. XertifiX koordiniert die Arbeit der indischen Partner und motiviert deutsche Steinmetze zum Kauf »sauberer« Steine. Einige Städte wie Freiburg und München sowie das Saarland haben ihre Friedhofssatzungen bereits dahingehend geändert, dass nur noch ohne Kinderarbeit hergestellte Steine mit Siegel auf ihren Friedhöfen aufgestellt werden dürfen.
    »Stark personenbezogene Grabmale« Michael Spengler, Bildhauer, Berlin
    »Nach meiner Ausbildung zum Steinmetz hat mich das Bildhauerstudium an der Kunstakademie in Turin und die Strömung der Arte Povera stark geprägt. Die Poveristen sind materialversessen und haben mir eine hohe Sensibilität für Materialien vermittelt. Ich habe dann in Berlin häufig als Restaurator für das Museum der Neuen Synagoge gearbeitet, eine Tätigkeit, bei der man sich als Künstler ja eher zurücknehmen und sich auf alte Sichtweisen einlassen muss. Mit meiner Idee der »Denkwerke«, stark personenbezogener Grabmale, arbeite ich jetzt an einer Symbiose dieser unterschiedlichen Schulen.
    Anfangs ging ich von Bestatter zu Bestatter, um ihnen mein Konzept vorzustellen. Aber viele sind fest verbandelt mit

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