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Den letzten Abschied selbst gestalten

Den letzten Abschied selbst gestalten

Titel: Den letzten Abschied selbst gestalten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalena Koester
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Zeichen stehen können. Das Schildchen wird in etwa zwei Metern Höhe mit einem Alunagel an den Baum oder in einen eigens aufgestellten Pfahl geschlagen. Vandalen hätten sonst ein leichtes Spiel.
    Die Pflege wird der Natur überlassen. Es ist nicht erlaubt, Kränze, Blumensträuße, Kerzen oder andere Gegenstände unter den Bäumen abzulegen.
    Wenn ein schon belegter Baum bei Sturm oder Blitz zerstört wird, wird an gleicher Stelle ein neuer gepflanzt; wurde noch niemand beigesetzt, kann ein neuer Baum ausgewählt werden.
    Eine Familie und ihr Baum
    Die Mutter
    Anneliese, 90 Jahre
    »Ich wollte anonym unter den Rasen. Das hab’ ich den Kindern immer gesagt. Mir bedeutet das gar nichts, was danach kommt. Ich wollte sie auf jeden Fall entlasten, ihnen den Druck nehmen, dauernd auf den Friedhof gehen zu müssen. Aber als wir im letzten Jahr öfter darüber sprachen, kam von Töchtern und Enkeln ganz großer Widerstand. Sie wollten wissen, wo ich mal liege, sagten sie, und so habe ich mich umentschieden. Mich hatte die Friedwald-Idee schon vorher interessiert, auch, weil der erste im Reinhardswald bei Kassel eröffnet wurde. Denn ich bin in Kassel geboren und schon mit meinen Eltern dort sonntags spazieren gegangen. Zusammen mit meiner Enkelin bin ich dann hingefahren, um dort einen Familienbaum auszusuchen. Es war ein richtig schöner Tag, wir haben viel gelacht und kein einziges Mal über den Tod gesprochen. Jetzt haben wir also ein gemeinsames Grab, zehn Plätze unter einer alten Eiche. Die gehören uns bis zum Jahr 2100 .«
    Die Tochter
    Dagmar, 61 Jahre
    »Wenn meine Mutter von ihrer anonymen Beerdigung sprach, spürte ich bei aller Sachlichkeit doch so einen leichten Vorwurf. Sie wollte es nicht aufbauschen, aber es kam doch durch, ihr nehmt mich nicht wichtig. Dabei war das ja gar nicht in unserem Sinne. Ich habe dann klar gesagt, dass ich nicht damit einverstanden bin und auch alle anderen nicht. So kam Anneliese auf die Idee, einen Familienbaum für uns alle zu kaufen. Die Vorstellung, einmal mitten in der Natur, im Wald zu liegen, in dem die verschiedenen Jahreszeiten für den Grabschmuck sorgen, hat uns alle angesprochen. Die Natur ist etwas, wo ich mich hindenken kann, wo ich Kontakt zu meiner Mutter aufnehmen kann, wenn es einmal so weit ist. Mit dieser Entscheidung sind wir weg von den religiösen Klischees und haben doch einen fiktiven Ort, an dem wir uns alle treffen können.«
    Die Enkelin
    Maya, 25 Jahre
    »Auf der Rückfahrt vonihrem 90 . Geburtstag istmeine Omaim Auto eingeschlafen, nachdem sie lauthals einige Schlaflieder gesungen hatte. Da bekam ich zum ersten Mal das Gefühl, sie sei eine ältere Frau – klein und zerbrechlich. Zwei Tage spä-ter waren wir auf dem Weg zum Reinhardswald, um den Baum auszusuchen, unter dem sie beerdigt werden möchte. Gemeinsam mit dem Förster tauchten wir schnell ein in einen urwüchsigen, lichtdurchfluteten Wald, dessen Boden mit den verschiedensten Gräsern und Sträuchern überwachsen war. Spontan dachte ich: Och, ja, hier würde ich es auch aushalten. Geduldig führte der Förster mich rum – meine Oma hatte inzwischen aufgegeben und mir Prokura erteilt. Er schlug Preise nach und beantwortete auch meine etwas ungewöhnlichen Fragen. Meine Oma hätte – so überlegte ich – gern einen etwas aparten Baum, einen, der sich durch irgendetwas auszeichnet, aber vor allem einen, der nicht zu dicht bei den anderen steht. Wie sie gern wiederholt, ist sie immer alleine gewesen, und das müsse sich auch jetzt nicht mehr ändern. Als ich auf eine Lichtung kam, stand er da, von hohem Gras umgeben, nach oben schön gleichmäßig zulaufend, dennoch mit vielen Zweigen und vor allem durch einen abgestorbenen Baum in unmittelbarer Nähe immer wiederzufinden. Oma war einverstanden, obwohl ich mit 5650 Euro dasLimit ein wenig überschritten habe.«

    Der deutsche Friedhofszwang für die Asche – und wie man ihn umgehen kann
    Zuletzt ruhten die Hoffnungen auf Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt, die erst vor einiger Zeit ihr Bestattungsrecht überarbeitet haben. Doch jahrelange Diskussionen, der Einsatz einzelner Politiker / -innen und diverse Empfehlungen von Fachleuten kamen gegen die Lobbyarbeit von Kirchen, Friedhofsverwaltungen, Bestattern, Gärtnern und Steinmetzen nicht an. Gegen die Freigabe der Asche wurden emotionalisierte Vorwürfe erhoben wie »das Vergessen der Toten durch Entsorgen«, eine »technische Anleitung zur Menschenkörperbesei-tigung« oder die

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