Den Löwen Zum Frass
einäugige Hure in einer üblen Kaschemme, während wir versuchten prüde wegzusehen.
»Die Sache mit der Wahl trifft nur auf dich zu. Ich muss an Helena und unser Kind denken.«
»Und du hast in Rom bereits eine Karriere.«
»Nenn es lieber ein Handwerk. Einem Privatermittler fehlen die glorreichen Aspekte einer >Karrie- re<: Glanz, Aussichten, Sicherheit, Reputation - und ein vernünftiges Gehalt.«
»Hast du bei deiner Arbeit für den Zensor Geld verdient?«
»Nicht so viel, wie mir versprochen wurde, wenn auch mehr, als ich gewöhnt bin.«
»Genug?«
»Genug, um süchtig danach zu werden.«
»Wirst du deine Partnerschaft mit Anacrites weiterführen?«
»Nicht, wenn ich ihn durch jemanden ersetzen kann, den ich lieber mag.«
»Was macht er denn jetzt?«
»Fragt sich vermutlich, wohin ich verschwunden bin.«
»Du hast ihm nicht gesagt, dass du hierher fährst?«
»Er hat nicht gefragt«, antwortete ich grinsend.
»Aber du bleibst weiterhin Privatermittler, wenn du nach Hause zurückkehrst?«
»Wie man so schön sagt: >Es ist das einzige Leben, das ich kenne.< Ich weiß natürlich auch, dass es zum Himmel stinkt, aber ein Narr zu sein ist eine Fähigkeit, in der Ermittler große Klasse sind. Außerdem brauche ich Arbeit. Als ich deine Schwester kennen lernte, habe ich mir das merkwürdige Ziel gesetzt, ehrbar zu werden.«
»Wie ich gehört habe, hattest du bereits das Geld zusammen für den mittleren Rang. Hatte dein Vater es dir nicht gegeben?«
Ich betrachtete Helenas Bruder nachdenklich. Ich hatte angenommen, wir würden über seine Zukunft sprechen, und jetzt war ich derjenige, der ausgequetscht wurde. »Er hat es mir geliehen. Als Domitian mir den gesellschaftlichen Aufstieg verweigert hat, hab ich das Gold zurückgegeben.«
»Hat dein Vater das verlangt?«
»Nein.«
»Würde er es dir noch mal leihen?«
»Ich werde ihn nicht darum bitten.«
»Habt ihr beiden Schwierigkeiten?«
»Ihm das Geld zurückzugeben, als er sich großmütig zeigen wollte, hat noch mehr Streit ausgelöst, als ihn überhaupt um Hilfe zu bitten.«
Jetzt grinste Justinus. »Du hast deinem Vater also auch nicht von dieser Reise hier erzählt?«
»Du kapierst allmählich, welche wunderbare Beziehung zwischen den sich bekämpfenden Didii besteht.«
»Aber irgendwie kommt ihr doch miteinander aus, oder?« Während ich an dieser Vermutung fast erstickte, schaute Justinus hinaus über das Tal unter uns zu der fernen Ebene und dem Dunstschleier über dem Meer. Er war bereit, sich mit seiner Familie auseinander zu setzen. »Ich sollte heimfahren und ihnen alles erklären. Wie wird die Beziehung mit meinem Vater jetzt wohl aussehen, was meinst du?«
»Das kommt darauf an, ob deine Mutter ebenfalls im Zim mer ist.«
»Und es ist noch was anderes, wenn Aelianus dabei ist, nicht wahr?«
»Genau. Der Senator liebt dich - und deine Mutter sicher auch. Aber dein Bruder hasst dich aus tiefstem Herzen, und wer kann es ihm verdenken? Deine Eltern können seine missliche Lage nicht außer Acht lassen.«
»Dann droht mir also Bestrafung?«
»Tja, selbst wenn der liebe Aelianus das vorschlagen mag, werden sie dich nicht in die Sklaverei verkaufen. Irgendein Verwaltungsposten an einem öden Ort, wo das Klima mies ist und die Frauen aus dem Maul riechen, wird sich sicher für dich finden lassen. Wie heißen noch die drei Tintenpunkte auf der Karte, wo sich nie was tut? Ach ja, die drei Miniprovinzen in den maritimen Alpen! Jede nur ein schneebedecktes Tal und ein sehr alter Stammeshäuptling, den sie untereinander austauschen ...«
Justinus knurrte. Ich ließ ihn ein paar Minuten vor sich hin kochen. Aus seinem Gesichtsausdruck und der Art, wie er das Thema angeschnitten hatte, konnte ich entnehmen, dass er intensiv darüber nachgedacht hatte.
»Wie wär's damit?«, fragte er zaghaft. Jetzt kam bestimmt eine große Frage. »Wenn du glaubst, dass ich dazu geeignet bin, könnte ich dann wohl nach Hause kommen und bis zum nächsten Frühjahr mit dir zusammenarbeiten?«
Ich hatte halbwegs damit gerechnet, inklusive des Zeitraums. Im nächsten Frühjahr würde er hierher zurückkehren und weiter nach dem Silphion suchen. Vielleicht würde sich der stolze Traum schließlich in Luft auflösen, aber es war klar, dass er Justi- nus noch jahrelang verfolgen würde, zusammen mit seiner verlorenen Waldprophetin. »Mit mir arbeiten? Als Partner?«
»Als Bote, denke ich. Ich muss sehr viel lernen, das weiß ich.«
»Mir gefällt deine
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