Den Löwen Zum Frass
sehr liebenswürdig aussehenden Delfinen, überragt von Victoria, dem Mädchen für die Spiele, in ihren traditionellen flatternden Gewändern. Von dort marschierten wir zum Grabmal eines Königs mit einer besonders kunstvollen Anordnung von Becken und Abflüssen zum Auffangen des Opferblutes der in einem hübschen runden Portikus Getöteten. Unter den Läden befand sich auch eine ganze Reihe von Parfümerien, welche die Luft mit dem Duft des berühmten kyre- nischen Rosenöls erfüllten. Nett, wenn man eine bereitwillige Frau hatte, der man es kaufen konnte. Ich bekam allmählich das Gefühl, dass alle, die mit uns in die Cyrenaika gekommen waren, sich nach Hause abgesetzt hatten. Mit Ausnahme von Famia, der zweifellos irgendwo besoffen im Rinnstein lag.
Die exotische Atmosphäre deprimierte uns. Die riesige Stadt war durch und durch griechisch, mit gedrungenen, dickbäuchigen dorischen Säulen, wo wir an höhere, schlankere in grauem Travertin und ionischem oder korinthischem Stil gewöhnt waren, und mit strengen Metopen und Triglyphen unter schlichtem Fries, wo wir kunstvoll Ausgearbeitetes erwarteten. Es gab zu viele Gymnasien und nicht genug Thermen. Noch immer waren Spuren der Pto- lemais vorhanden, die Kyrene einst als Außenposten von Ägypten betrachtet hatten.
Alle sprachen Griechisch, was wir auch konnten, wenn wir mussten, obwohl es für müde Reisende eine Anstrengung war. Sämtliche Inschriften waren auf Griechisch als erste oder einzige Sprache. Der altertümliche Einfluss gab uns das Gefühl, Emporkömmlinge zu sein.
Wir mussten uns aufteilen. Justinus sollte zum Apolloheiligtum in der Unterstadt gehen, ich wollte hinaus zum Zeustempel marschieren.
Diesmal hatte ich den längeren Strohhalm erwischt. Als ich durch die klare Luft eines Pinienwaldes zur östlichen Seite des Hochplateaus ging, auf dem die Stadt erbaut war, hatte sich meine Laune bereits gebessert. Bald hatte ich den Tempel erreicht. Unter allen Stiftungen dieser stinkreichen Stadt hatte man den Zeustempel mit einer einzigartigen, alles überragenden Lage und einer berühmten Statue geehrt - eine Kopie der von Phidias geschaffenen Zeusstatue aus Olympia. Falls ich es nie zum Heiligtum in Olympia schaffen sollte, das als eines der sieben Weltwunder galt, hätte ich mir gern die kyrenische Nachbildung angesehen. Ich wusste, dass das legendäre vierzig Fuß hohe Meisterwerk den erhabenen Zeus auf Zedernholz und Marmor thronend zeigte, er selbst in Elfenbein mit emaillierter Robe,
Bart und Haupthaar aus purem Gold - bestimmt ein fantastischer Anblick. Aber hier in Kyrene wurde meine Aufmerksamkeit durch einen noch liebreizenderen Anblick als die berühmte Phidias-Statue abgelenkt.
Dies war ein verschlafener Fleck (abgesehen von den aufdringlichen Fliegen). Gedrungene dorische Säulen, die einen massiven Architrav und Fries stützten, sprachen vom immensen Alter des Tempels. Über die Eingangstreppe zwischen den gebieterischen Säulen kam eine hoch gewachsene junge Frau in einem fließenden weißen Gewand herunter, nachdem sie vielleicht gerade eine neue Nachricht für mich hinterlassen hatte, hörte sofort auf, überlegen auszusehen, und schrie vor Begeisterung, als sie mich erblickte.
Sehr hübsch. Jede Art von Protokoll außer Acht lassend, sprang sie herunter, und ich fing sie auf. Entschuldige, Zeus.
Na gut, jemand, der so viele Frauen verführt hat, sollte Verständnis haben.
Helena brauchte nicht zu fragen, was passiert war. Das ersparte mir lange Erklärungen und vertrieb meine Niedergeschlagenheit.
Sie nahm mich mit in das friedvolle Haus, das Claudia und sie gemietet hatten, setzte mich mit dem Baby in den Armen auf einen griechischen Stuhl, schickte Gaius auf die Suche nach ihrem Bruder, schickte Claudia zum Einkaufen, wischte die herzzerreißende Geschichte unseres Desasters beiseite und amüsierte mich mit dem, was ich verpasst hatte.
»Famia ist unten in Apollonia und inzwischen sehr unruhig. Er hat eine Gruppe guter Pferde gekauft - das glaubt er wenigstens - und will so schnell wie möglich nach Hause.«
»Hab nichts dagegen.«
»Er braucht dich, um ein Schiff anzuheuern. Wir haben Briefe aus Rom bekommen. Ich hab deine aufgemacht, falls es eine Krise gegeben hat ...«
»Du hast mein vollstes Vertrauen, Liebste.«
»Ja, das dachte ich mir. Petronius hat geschrieben. Er arbeitet wieder bei den Vigiles. Seine Frau will nichts mehr mit ihm zu tun haben. Sie hat einen Freund, den Petro nicht ausstehen kann, und sie
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