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Den Löwen Zum Frass

Den Löwen Zum Frass

Titel: Den Löwen Zum Frass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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eng um seine Kehle gezogen, hätte sich in seinem Haar verfangen, wenn es nicht so kurz abrasiert gewesen wäre. Die Lage der Kette war äußerst seltsam. Entweder hatte jemand versucht sie zu entfernen, oder Rumex hatte sie sich über den Kopf ziehen wollen.
    Doch das veranlasste mich nicht, scharf einzuatmen. Ein schmales Rinnsal geronnenen Blutes befleckte die luxuriöse Bettdecke unter der Wange des toten Mannes. Es war aus der kleinen Wunde im Hals ausgetreten. Rumex war erstochen worden.
    Ich sah zu Anacrites und hob die Augenbraue. Er kam zu mir, und ich hörte ihn leise aufstöhnen. Mit dem Zeigefinger versuchte er vorsichtig die Goldkette anzuheben, aber sie wurde durch das Gewicht von Rumex' Kopf festgehalten.
    Wir müssen beide dasselbe gedacht haben: Rumex hatte entspannt im Bett gelegen, als er erstochen worden war. Es hatte ihn unverhofft getroffen. Irgendwas war mit der Kette, aber der Mörder hatte sie nicht mitgehen lassen. Vielleicht hatte ihn das Entsetzen gepackt. Vielleicht wurde er gestört. Vielleicht war ihm der Preis für die Kette als gute Investition erschienen, und er hatte sie bereitwillig zurückgelassen, nachdem der Gladiator tot war.
    Von dem Messer keine Spur. Der Größe der Wunde nach zu schließen, handelte es sich um eine kleine, schmale Klinge. Eine Art Taschenmesser, leicht zu verbergen. In einer Stadt, in der das Tragen von Waffen verboten war, konnte man so ein Kinderspielzeug vor den Vigiles als häusliches Obstmesser ausgeben. Ein kleines Ding, das auch einer
    Frau gehören konnte, obwohl derjenige, der den Stich ausgeführt hatte, mit männlicher Geschwindigkeit und Kraft vorgegangen war. Und vielleicht mit Erfahrung.
    Anacrites trat zurück, genau wie ich. So konnten die beiden Gladiatoren die Leiche sehen. Zum ersten Mal, ihrem grimmigen Gesichtsausdruck nach zu schließen.
    Der Tod war ihnen vertraut. Sie hatten Kollegen in der Arena sterben sehen. Trotzdem nahm sie dieser trügerische Anblick des im Moment seines Todes so entspannten Rumex sehr mit. Im Grunde ihres Herzens waren sie ganz normale Männer. Entsetzt, voller Mitleid, reserviert und doch betroffen. Genau wie wir.
    Mein Mund fühlte sich trocken an. Dieselbe alte Bedrückung darüber, dass ein Leben aus wenig glaubwürdigen Motiven vergeudet wurde, und das von einem Finsterling, der meinte, damit durchzukommen. Dieselbe Wut und Empörung. Und dieselben Fragen: Wer hat ihn zuletzt gesehen? Wie hat er seinen letzten Abend verbracht? Wer waren seine Freunde? Wann hatte ich das gedacht? Beim Tod von Leonidas.
    Ich ging es so vorsichtig wie möglich an. »Armer Kerl. Wisst ihr, wer ihn gefunden hat?«
    Der eine Gladiator war immer noch sprachlos. Der andere rang sich ein Krächzen ab: »Seine Betreuer, heute Morgen.«
    Der Mann hatte keinen Hals, ein breites rotes Gesicht mit kräftigem Kinn, das unter anderen Umständen bestimmt einen fröhlichen Ausdruck gezeigt hätte. Er sah übergewichtig aus, Speckfalten am Bauch und rundliche Arme. Vermutlich ein außer Dienst gestellter Überlebender, der hier sein Gnadenbrot bekam.
    »Was ist mit den Betreuern passiert?«
    »Saturninus hat sie mitgenommen.«
    »Er hat sie selbst weggeführt?«
    »Ja.«
    Sieh einer an, was für eine nette Wiederholung. Zuerst Calliopus, der seinen Löwen verloren hatte und die Umstände zu vertuschen suchte. Jetzt hatte Saturninus seinen besten Kämpfer verloren, und es sah so aus, als sollte auch hier alles rasch vertuscht werden.
    »War er wütend, dass sie jemanden an Rumex rangelassen haben?« Die beiden neuen Wächter tauschten Blicke aus, und ich hatte das Gefühl, dass die bisherigen Betreuer ordentlich Dresche bezogen hatten. Das würde einen doppelten Zweck erfüllen: Strafe - und dafür sorgen, dass sie den Mund hielten.
    »Ich hab's auf dem Forum gehört«, murmelte Ana- crites und starrte auf die Leiche. Er ließ es so klingen, als wäre er genau wie alle anderen entsetzt über die schockierende Nachricht. Da er ein guter Spion war und über keinerlei Charakter verfügte, konnte er mit dem Hintergrund verschmelzen wie dünner Nebel, der die Umrisse eines keltischen Sumpfes verbarg.
    »Alle redeten davon, obwohl keiner wusste, was eigentlich passiert ist. Jede Menge Gerüchte machen die Runde. Was sollen wir sagen, wenn man uns fragt? Wie lautet die offizielle Version?«
    »Im Schlaf gestorben«, antwortete der erste Wächter. Ich lächelte schief. Typisch für Saturninus. Es entsprach der Wahrheit - und gab doch nichts

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