Den Löwen Zum Frass
erste Lotterie; eines für einen wertvollen Preis zu bekommen war einen weiteren Wetteinsatz wert. Man konnte drei Flöhe gewinnen, zehn Flaschenkürbisse
- oder ein voll beladenes Segelschiff. Der einzige Nachteil war, dass man beim Kaiser vorstellig werden musste, wenn man den Hauptgewinn einsackte.
»Und was war das für ein Gewinn, über den sie sich zerstritten haben?«, fragte ich.
»Der Spezialpreis.«
»In bar«
»Noch besser.«
»Die Galeone?«
»Die Villa.«
»Oho! So ist Calliopus also zu seinem begehrenswerten Schmuckstück mit Hanglage in Surrentum gekommen.«
»Kein Wunder, dass sie sich zerstritten haben«, sagte Anacrites. »Saturninus muss sehr traurig gewesen sein, die zu verlieren.« Der Kerl beherrschte Banalitäten perfekt. Er und ich wussten genau, was die Villa in Surrentum jetzt wert war. Saturninus war reingelegt worden. Das verlieh Euphrasias sarkastisches Interesse daran, warum Calliopus seine Frau Artemisia jetzt dorthin geschickt hatte, eine interessante Dimension.
»Seit damals haben sie sich ständig bekämpft«, sagte der rundliche Gladiator. »Sie hassen sich abgrundtief.«
»Eine Lektion für alle, die als Partner arbeiten«, murmelte ich scheinheilig, um Anacrites zu beunruhigen.
Ohne den Unterton zu bemerken, fuhr unser Informant fort: »Die würden sich gegenseitig abmurksen, wenn sie die Möglichkeit dazu hätten, schätzen wir.«
Ich lächelte Anacrites an. Das ging zu weit. Niemals würde ich ihn umbringen. Nein, obwohl wir beide wussten, dass er mich einst mittels eines tödlichen Unfalls hatte beseitigen wollen. Wir waren jetzt Partner. Kumpel, durch dick und dünn.
Es war Zeit zu gehen.
Als wir uns zum Abmarsch bereitmachten, beugte sich Anacrites plötzlich wie aus einem Impuls vor (obwohl er nie etwas ohne verschlagene Berechnung tat). Er zog das Laken von Rumex' Gesicht weg und betrachtete ihn erneut mit feierlichem Ernst. Als wollte er ihm eine letzte Enthüllung abringen, gab er vor, von dem erkalteten Leichnam auf grässliche Weise fasziniert zu sein.
Dramatik war nie mein Stil gewesen. Still verließ ich den Raum.
Anacrites schloss sich mir ohne Kommentar wieder an, gefolgt von den beiden Freunden des Toten, die ihren Kameraden nun in deutlich niedergeschlagener Stimmung bewachen würden. Welche düsteren Machenschaften sich auch immer in der Arena vollzogen, Rumex war jetzt von allem Druck und aller Gefahr befreit. Für seine Kollegen sah es vielleicht anders aus.
Wir verabschiedeten uns und drückten noch mal echtes Bedauern aus. Die beiden Gladiatoren salutierten würdevoll. Erst als ich mich am Ende des Korridors umschaute, merkte ich, dass der Anblick sie stärker mitgenommen hatte, als wir gedacht hatten. Der große Übergewichtige lehnte an der Wand, die Augen mit der Hand bedeckt, und weinte offensichtlich. Der andere hatte sich abgewandt, grün im Gesicht, und kotzte hilflos.
Sie waren darauf trainiert, blutige Massaker in der Arena hinzunehmen. Aber dass ein Mann unvorbereitet in seinem Bett hingeschlachtet worden war, musste für sie eine zutiefst erschreckende Erfahrung sein.
Auch mich hatte es aufgewühlt. Zu der Wut, die ich über Leonidas' Tod empfunden hatte, kam jetzt die grimmige Entschlossenheit hinzu, die schmutzigen Geschäfte aufzudecken, die zu einem weiteren Mord geführt hatten.
Ich wusste, was ich tun wollte. Bei Anacrites war ich mir da nicht so sicher. Ich hätte daran denken sollen, dass Spione zwar oft indirekt am Tod anderer schuld sind oder deren Beseitigung sogar mit voller Absicht anordnen, aber selten mit dem Ergebnis konfrontiert werden. Daher setzte Anacrites mich in Erstaunen. Sobald wir das Trainingslager verlassen hatten, blieb ich stehen, um ihm zu sagen, er solle sich verkrümeln, während ich die Befragungen durchführte.
Er sah mich mit seinen trüben grauen Augen an. Sein Gesicht war grimmig.
»Nehmen wir uns jeder einen vor?«, fragte er.
Ich warf eine Münze. Er bekam Calliopus, ich Sa- turninus.
Ohne uns weiter abzusprechen, zogen wir in verschiedene Richtungen los, um uns die rivalisierenden Tripolitanier vorzuknöpfen. Mir standen meine üblichen Methoden zur Verfügung; wie Anacrites ohne Foltereisen und eine Bande perverser, einfallsreicher Assistenten klarkommen wollte, war noch
die Frage. Ich vertraute ihm wohl irgendwie. Er mir anscheinend auch.
Am Abend trafen wir uns in der Brunnenpromenade wieder. Es war spät geworden. Bevor wir unsere Vernehmungen verglichen, setzten wir uns zum
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