Den Löwen Zum Frass
erwischen sollen, aber die drei waren tatsächlich im Dezember nach Süden gesegelt, ein selbstmörderisches Risiko.
Wir vermochten uns nicht vorzustellen, wie sie einen Kapitän dazu hatten überreden können, sie um diese Jahreszeit mitzunehmen. Die Frau, die Iddibal aus dem Trainingslager geholt hatte, musste in Geld schwimmen. Anacrites fand die Lösung - das Schiff gehörte ihr. Es wurde immer merkwürdiger.
Wir einigten uns darauf, dass Iddibal aus wohlhabendem Haus stammte, durchgebrannt war und jetzt von seiner Familie zurückgeholt wurde. Vielleicht war seine Tante ja echt.
Auf jeden Fall war er für immer aus Rom abgehauen, ob nun nach Hause zu Mama oder zusammen mit einer heißblütigen Witwe, die sich ihren eigenen Deckhengst gekauft hatte.
»Eine schmutzige Sache«, sagte Anacrites. Typisch für einen Spion, prüde zu sein.
Ein weiterer Strang blieb unerforscht. Der Exprätor Urtica. Camillus Veras teilte uns mit, dass der Mann seit einiger Zeit nicht in der Kurie aufgetaucht sei. Selbst die sensationellen Geschichten über sein Liebesleben waren abgeflaut. Magistrate mögen sich zwar aus dem politischen Leben zurückziehen, aber eine Vorliebe für anrüchiges Verhalten hängt ihnen meist weiter an. Möglich, dass Pomponius Urtica untergetaucht war, bis sein Ruf sich gebessert hatte, doch die Theorie, dass der Löwe ihn angeknabbert hatte, kam mir glaubhafter vor.
Wieder machte ich mich auf den Weg zum Pinci- us, doch jetzt war ich entschlossen, mir Zugang zu der Villa zu verschaffen, und wenn ich den ganzen Tag warten musste. Diesmal sagten sie mir die Wahrheit. Pomponius Urtica sei zu Hause, aber er sei sehr krank. Der Pförtner behauptete, sein Herr habe die Gicht. Ich meinte, er könne ja zwischen den Anfällen mit mir sprechen, und brachte es irgendwie fertig, mich bis zum Vorraum des Schlafzimmers des hohen Herrn durchzukämpfen.
Während der anwesende Arzt konsultiert wurde, fiel mir die große Menge medizinischer Gerätschaften auf, einschließlich eines Bronzegestells in der ermutigenden Form eines Skeletts mit drei Haltern für Schröpfgefäße. Diese ließen sich für diverse Leiden verwenden, unter anderem auch zum Absaugen von Blut oberhalb einer Wunde. Zahllose aufgerollte Binden waren auf einem Regal aufgestapelt. Es roch nach Pech, das natürlich zum Versiegeln von Fleischwunden gebraucht wurde. Ein Kästchen mit Schiebedeckel enthielt verschiedene Unterteilungen, in denen sich fein gemahlene Arzneien befanden. Ich klaute ein wenig von einem fast aufgebrauchten Pulver, das ich später von Thalia, einer Expertin für exotische Substanzen, prüfen ließ. »Opobalsamum, würde ich sagen. Aus Arabien. Kostet einen Haufen Geld.«
»Der Patient kann es sich leisten. Wofür wird Opobalsamum verwendet, Thalia?«
»Hauptsächlich für Wunden.«
»Und was bewirkt es?«
»Verleiht dir einen warmen Schimmer, weil du denkst, dass alles, was so teuer ist, dir gut tun muss.«
»Ein wirksamer Absud?«
»Nicht besser als Thymianessenz. Wo ist er verletzt?«
Das konnte ich ihr nicht sagen, weil ich den Mann nie zu Gesicht bekam. Sein Arzt stürzte aus dem Schlafzimmer, sehr verärgert darüber, mich dort vorzufinden. Er murmelte was von Schüttelfrost, wollte aber nicht über die Gichtgeschichte reden. Diener wurden gerufen, die mich fast mit Gewalt aus dem Haus beförderten.
Dann versuchte ich aus Scilla was rauszubekommen, der angeblich so ungestümen Freundin des Exprätors. Ich genieße es stets, eine Frau mit anrüchiger Vergangenheit zu vernehmen, was in verschiedener Hinsicht eine Herausforderung sein kann. Scilla ließ sich nicht darauf ein. Sie wohnte im Haus des Prätors, und sie verließ die Villa nie. Als weibliche Lebensweise klang das verdächtig ehrbar, obwohl ich mich wie ein Schurke anhörte, als ich das zu Hause äußerte.
Da uns das alles nur in Sackgassen führte, nahmen Anacrites und ich die Routineermittlungen wieder auf. Das bedeutete, alle zu befragen, die in der Nacht von Rumex' Tod im Trainingslager waren, in der Hoffnung, dass sich jemand an etwas Ungewöhnliches erinnerte. Die Vigiles gingen genauso vor, kamen aber ebenfalls zu keinem Ergebnis. Schließlich legten sie den Fall unter »Keine weiteren Aktionen« ab, und nicht lange danach taten wir dasselbe.
Tja, ich kann nichts dafür.
Manchmal gibt es einfach nichts, was sich weiter verfolgen lässt. Das Leben ist keine Fabel, in der stereotype Charaktere vor unglaubwürdigen Emotionen überschäumen,
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