Den Oridongo hinauf (German Edition)
Bauern mit gut laufenden Betrieben, sie sehen sich dieselben Fernsehprogramme an wie alle anderen und sprechen ein leichtes, lockeres Englisch, naja – was heißt schon leicht und locker, sie murmeln doch die ganze Zeit vor sich hin. Denke ich, der erst einige Minuten zuvor beim Gemurmel erwischt worden ist, bei einem genuschelten Selbstgespräch, das ist wohl die Integration, die ihren guten Gang geht, und dann muss ich doch lachen, ja, ich lasse mich für einen Moment gehen, aber dann reiße ich mich zusammen, denn jetzt wird die Klappe gesenkt, und wir hören, wie die Automotoren auf dem grün gestrichenen Deck angelassen werden, und wirklich, auch der Kapitän stößt zweimal energisch in seine Trillerpfeife, es ist ein rostiges Gebrüll, es hört sich an wie eine Kuh aus Metall, die gerade im Moor versinkt, falls man sich so etwas vorstellen kann, und das macht mir nun wirklich kein Problem. Aber es ist doch ein bisschen viel. Finde ich. Leicht übertrieben. Andererseits – ich neige ja dazu, mich zurückzuhalten, wenn andere sich gehen lassen, so war es immer schon, und wenig Freude hat es mir gemacht, deshalb versuche ich ein »Hurra«, aber das ist natürlich wiederum leicht übertrieben, geht mir auf, jetzt habe ich die Mehrheit an Enthusiasmus und Willkommenseifer überholt, also belasse ich es bei diesem einen Ausruf, der vielleicht doch nicht so laut war, dass es eine Rolle gespielt hätte, nur die Nächststehenden haben sich umgedreht, und auch das nur ganz kurz, falls ich es mir nicht eingebildet habe. Aber das kann ja auch egal sein, denn jetzt fahren die ersten Wagen an Land, und in Wagen Nummero drei: die Holländer oder Niederländer, wieder bin ich unsicher, was korrekt ist, sie winken aus den offenen Autofenstern, und in zwei Kinderhänden: norwegische Fähnchen.
Was ja durchaus rührend ist. Das lässt sich nicht leugnen. Ausländische Kinder, die sich zu Norwegern machen. Die sofort und ganz natürlich die norwegischen Flaggengewohnheiten übernehmen. Da habe ich nun gehofft, dass diese Begegnung nicht allzu sehr aussehen wird wie norwegischer Nationalfeiertag, aber wenn es denn schon passiert, ja, dann bin ich einer der vielen, die sich mit einem ziemlich großen Kloß im Hals herumschlagen müssen, sogar Arne schluckt, und plötzlich hat er wahnsinnig viel zu tun mit Tabak und Papier und einem Fussel in dem einen Auge.
Und mit was für Klößen im Hals müssen wohl die Klerke kämpfen? Was mag es für ein Gefühl sein, sich irgendwo am Stadtrand von Rotterdam in ein Auto zu setzen, die Heimat zurückzulassen, durch Deutschland und Dänemark zu fahren, während die Brücken hinter ihnen lichterloh brennen, weil weg von allem, weg vom Vertrauten, weg vom Alltag, wie sie ihn so lange gekannt haben, weg von ihrer eigenen kehligen Muttersprache, über das Meer auf der Fähre von Dänemark, dann weiter nach oben durch dieses schmale und lang gestreckte Land,
Noorwegen
, der Weg zu dieser schnell schmelzenden Eiswüste, und dann das hier, eine Lokalbevölkerung, die im Zwielicht am Anleger steht und sie erwartet, die sie fast schon mit Enthusiasmus empfängt, eine Eigenschaft, von der die Zugereisten im tiefsten Herzen wohl wissen, dass sie hier auf den Inseln nicht gerade weit verbreitet ist. Doch. Sicher müssen sie erst einmal eine Runde schlucken, auch sie.
Aber nicht lange, denn jetzt wird Sprache von ihnen erwartet, während sich der harte Kern des Empfangskomitees um das Auto zusammenschließt, der Regierungsdirektor und die Vertreter der verschiedenen politischen Parteien, und Pastor Gunnar natürlich, er steht dort mit Gottes Wind in den Haaren und einem Blumenstrauß in der Hand. Und Arne Svendsen wäre wohl nicht der, der er nun einmal ist, wenn er nicht fragte, wo in aller Welt die Vertreter der Steuerbehörden sich herumtreiben, denn die sind nicht anwesend, wenn ich nichts übersehen habe, aber Berit meint, dass sie vielleicht gerade im Gemeindehaus die Sahnetorte verzieren, und das lässt die Nächststehenden immerhin in ein leichtes Schmunzeln verfallen.
Und daran werde ich mich für den Rest meines Lebens erinnern. Die gute Stimmung, oder, um es auf Hippiemanier auszudrücken, die guten Schwingungen, die »Vibes«, die an diesem Nachmittag hier unten in Laugen am Anleger herrschen, das Lachen, das Kindern und Erwachsenen so leicht fällt, und die Klerke, die aus dem Wagen steigen und den Männern und Frauen des Empfangskomitees die Hand schütteln, Ratsherrn und Pastor und den
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