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Den Oridongo hinauf (German Edition)

Den Oridongo hinauf (German Edition)

Titel: Den Oridongo hinauf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingvar Ambjørnsen
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Springt auf ihren Schoß, ohne sich um diesen oder den kommenden Tag zu sorgen, und den gestrigen Tag hat er aller Wahrscheinlichkeit nach bereits gelöscht.
    Ich kann mich nicht erinnern, wie an jenem Vormittag mein Gespräch mit Berit verlief, oder zum Beispiel, wie lange der Kater und ich einander anstarrten, wie lange Berit mich anstarrte, ehe sie sich ins Wohnzimmer zurückzog, nur diese Missstimmung, die jetzt zwischen uns liegt, der allererste negativ geladene Augenblick zwischen uns, seit ich hergekommen bin, bisher ist alles gelaufen wie geschmiert, aber in diesem Moment ist es so, als hätte ich die Skier auf einen mit Sand bestreuten Waldweg gelenkt, und als sie plötzlich aus dem Wohnzimmer schreit, es sei ja verdammt noch mal nicht nötig, alte Fehler, Vergehen und Missverständnisse auch noch an die große Glocke zu hängen, es gebe verdammt noch mal keinen Grund, die Vergangenheit an den Fahnenmast zu hissen, ja, da sehe ich vor meinem inneren Auge, wie ich über diesen Waldweg jage, dass die Kandaharbindungen Funken sprühen und Blut aus den aufgeschrammten Knien läuft, aber das Allerschlimmste ist wirklich, dass sie so kreischt wie jedes hysterische Frauenzimmer, denn wenn ich in der Zeit, seit ich sie kenne, etwas mit großer Freude und Achtung gelernt habe, dann, dass sie nicht irgendein Frauenzimmer ist, sondern die kluge und bedächtige Berit aus Viken, die mich damals am Ufer des Oridongo erwartet hat. Die, die mir die Hand gereicht hat. Als Erste und Einzige.
    Und das tut so weh. Das weiß ich noch. Es ist so schrecklich, dass gerade sie dort im Wohnzimmer sitzt und kreischt und flucht, die Beschimpfungen an die Wände knallt, ehe es plötzlich still wird, beunruhigend still, als hätte sie einen weiteren Schlaganfall erlitten, und ich will aufspringen und nach ihr sehen, aber das schaffe ich nicht, weil die grünen Augen des Katers mich festhalten, sie nageln mich an den Küchenstuhl, hast du sie dazu gebracht, dermaßen loszuschreien, du fremder Idiot, du kahlköpfiger Wechselbalg!
    Und als ich mich dann endlich losreißen kann, meine Jacke anziehe und auf die Vortreppe hinaustaumele, höre ich sie den rufen, der ich früher war, den Namen benutzen, den wir doch nie wieder aussprechen wollten, und ich bin so enttäuscht, so niedergeschlagen, wie ist es möglich, wie kann sie uns das antun?
    Ich gehe die Straße hoch. Ich bin zu aufgeregt, um Moped zu fahren, ich kann das ganz einfach nicht riskieren, meine Hände zittern, und an der Bushaltestelle stelle ich mich zum Warten auf, ich warte, plötzlich habe ich die Abfahrtszeiten vergessen, und den Fahrplan, der an der Laterne hängt, haben Zeit und Wetter unleserlich gemacht, aber ich kann warten. Warten kann ich gut, mir geht auf, dass ich mein Leben lang gewartet habe, aber gerade dieser Gedanke tut so weh, dass ich gegen meinen Willen in Tränen ausbreche, und dabei habe ich mich doch daran gewöhnt, dass die Wartezeit vorüber ist, ein Stadium, das hinter mir liegt, Frau, Haus, Kater, eigenes Moped, ein sinnvolles Leben nach den vielen weggeworfenen Jahren – und dann steht man abermals hier und wartet, auf den Bus zwar, aber dennoch, man steht und wartet im Ungewissen, und ich glaube, es ist gerade diese Ungewissheit, die mich erschüttert, mich zittern lässt, nein, es ist ihr Kreischen, die Gewissheit, dass sie auch eine solche Seite hat, sie, die mein Gesicht gegen ihre Brüste gepresst und mir Worte ins Ohr geflüstert hat, von denen ich nicht geglaubt hätte, dass ich sie jemals hören würde. Dich habe ich lieb, du bist mein Mann. Und nun überkommt mich die Scham, die Selbstverachtung – dann benimm dich doch wie ein Mann, nicht wie ein schmollender Rotzbengel, geh zurück zum Haus und sag, dass du auf andere und bessere Gedanken gekommen bist, dass sie recht hatte. Aber nein. Kommt nicht in Frage. Erstens kann ich es nicht ertragen, angeschrien zu werden. Das lasse ich mir nicht gefallen. Wer mich anschreit, steht vor verschlossener Tür. Das ist das eine. Das andere ist, dass ich mir vorgenommen habe, mit dem Lensmann zu sprechen, von Mann zu Mann in seinem Büro drüben in Laugen, ich habe schon etliche Bemerkungen und Antworten auf Lager, und meine Erfahrung sagt mir, wenn ich diese Sätze nicht auf angemessene Weise los werde, das heißt, während des geplanten Wortwechsels, dann werden sie mir nicht aus dem Kopf gehen, diese Worte werden zu peinlichen Erinnerungen an meine fehlende Tatkraft werden, an meine gelinde gesagt

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