Den Oridongo hinauf (German Edition)
schlimmer, als wenn ich in Ruhe in Lillys Zimmer hätte bleiben dürfen, wo ich mich um meine eigenen Angelegenheiten kümmerte, wie ich es mir schon als Knabe und junger Mann angewöhnt hatte, und wie später in der Kabine auf dem Oridongo.
Und jetzt komme ich mir vor wie in einer Wiederholung jener Szene oder ähnlicher Situationen später, ich selbst hinter der verschlossenen Tür des Kinderzimmers, immer, wenn etwas Unerwartetes passierte, plötzliche Kaffeegäste und andere plötzliche Situationen, bei denen es um Menschen ging, das Lachen von unten, bei dem ich mich unsicher fühlte, worüber und über wen lachten sie überhaupt, und am Ende Berit, die bettelte, ehe sie abrupt und glücklicherweise aufgab und mich kommen und gehen ließ. Wie den Kater.
Aber jetzt. Jetzt hat es sich auf der ganzen Insel verbreitet, dass ich, dass Ulf Vågsvik etwas darüber zu sagen hat, wie es ist, sich als Fremde an diesen Ort am offenen Meer zu begeben, vielleicht eine leicht humoristische Plauderei, wenn auch mit einem gewissen Biss, darüber, mit den Gewohnheiten und Vorurteilen eines Städters hier anzukommen und sich hier niederzulassen, den Alltag mit den Einheimischen zu teilen, alles von Grund auf lernen zu müssen, Boot, Moped, Wind und Wetter, die weiten Entfernungen zu Laden und Postamt, zur Bibliothek auf dem anderen Ufer des Sundes, auf Binnøya, und die Brücke, Ulf, was ist mit der wunderbaren neuen Brücke, die bald gebaut werden soll? Dann kannst du ja wohl mit dem Moped zur Bibliothek fahren?
Ich höre sie auf der Treppe. Berit. – »Ulf?«
Dann steht sie in der Tür und blickt das zerlegte Bett verwundert an.
Warum kann ich nicht einfach sagen, dass ich meine Zusage bereue? Dass diese Gastvorlesung mir einfach über den Kopf gewachsen ist, dass ich überhaupt keine Ahnung habe, was ich sagen soll, egal, welche Fragen Ellen Svendsen sich aus den Fingern gesogen hat, vielleicht sogar zusammen mit Arne. Der ganz schön viel Scheiß bauen kann, um das mal auf gut Norwegisch zu sagen.
Aber das kann ich nicht sagen. Ich bringe es nicht über mich. Deshalb erkläre ich, was ich mit diesem Zimmer vorhabe. Wie alles auf den Kopf gestellt werden und wie der Raum als maskuline Höhle wieder auferstehen soll. Mit Tierfellen und ausgestopften Vögeln. Und dort will ich einen Fernseher haben. Da hinten in der Ecke. Damit ich im Bett liegen kann. Und schauen.
Sie hält ein weißes Hemd in der Hand und sagt, dass sie den Anzug herausgehängt hat. Magnes blauen Anzug. Der hängt unten. Die Zeit drängt jetzt. Ellen und Arne können jeden Moment hier sein.
Und was so schlimm ist, was wirklich eine wehe Erkenntnis ist, ist diese: Wenn ich ein ganz durchschnittlicher Starrkopf von Mann wäre, einer, von dem vierzehn aufs Dutzend gehen, hätte ich einfach Nein gesagt. Gesagt, dass ich, wie sie sicher sehen könne, anderweitig beschäftigt sei. Dass ich ganz einfach an einem normalen Freitag keine Zeit für Fest und Feierei hätte. Ich hätte ein Zimmer zu renovieren. Außerdem eine Ladung Holz, die unten liegt und Feuchtigkeit aufsaugt. Ich könnte sagen, dass sie ohne mich fahren muss. Wie so viele andere Frauen, die auf seltsame Ideen kommen.
Aber auch das bringe ich nicht heraus, denn ich sehe die Trauer, die bereits in ihren Augen auf der Lauer liegt. Sie steht da und wartet darauf, dass ich sie im Stich lasse. So empfinde ich das wenigstens.
Ich muss an das Blaue Zimmer denken. An die Stimme einer anderen Frau, die redet und redet, während ich auf meiner Seite des Tisches sitze, mit Sand im Hals und Wasser im Glas; ich sehe die Blasen, die an der Innenseite des Glases kleben und eine nach der anderen loslassen und an die Oberfläche steigen, und zu nichts werden. Wir sprechen über solche Dinge. Über Situationen, wo alle Wahlmöglichkeiten, die man hat, ein negatives Vorzeichen besitzen. Über Cholera und Pest und überhaupt.
Aber dann kommt Berit auf mich zu, und ich rieche den Duft ihrer Haare, den schwachen Apfelduft, der stammt von dem Shampoo, das sie immer benutzt, und sie drückt mich an sich und fährt mit einer Hand über meinen kahlen Schädel, und ich spüre ihre Brüste an meiner eigenen Brust, und ich reagiere wie ein Mann, ohne mich zu schämen, denn diese Kraft, diese Stärke hat Gott mich trotz der zeitweise massiven Behandlung mit Medikamenten behalten lassen, und ich höre sie sagen: »Du sollst das nicht für mich tun. Du sollst das für dich tun. Komm jetzt. Dann trinken wir einen
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