Den Oridongo hinauf (German Edition)
Schnaps.«
Und dieser Vorschlag hat etwas Kumpelhaftes, diese Aufforderung zu einem gemeinsamen Schnaps an einem Freitagnachmittag, das ist etwas, das von Mann zu Mann nach vollendetem Arbeitstag gesagt werden könnte, das wäre schon stark genug, aber noch viel stärker ist es, wenn diese Worte von einer Frau kommen, die sich bereit erklärt hat, es mit mir auszuhalten, die meine Liebeserklärungen ertragen kann, obwohl sie ab und zu vielleicht verlegen ist, wenn sie mich zu direkt oder zu beharrlich findet, und ich flüstere in ihre Haare, in den Apfelgarten, ja, sicher, jetzt komme ich, Liebe, du kannst dir doch denken, dass ich komme, dass ich dich nicht allein gehen lasse.
Und dann sollen die Dinge eben ihren Lauf nehmen. Eigentlich tun sie das ja sowieso immer.
Wir trinken nicht oft. Wir trinken fast nie. Wir haben dieses Bedürfnis nicht. Aber am Strand und an den Hügeln hat Berit allerlei Kräuter gesammelt, das hat sie von ihrer Großmutter gelernt, es gibt Kräuter zum Kochen und es gibt Kräuter für Medizin – und tatsächlich wachsen hier auch Kräuter für Schnaps, aber die hat sie auf eigene Faust entdecken müssen. Ich weiß ja nicht, was das für Kräuter sind. Krähenbeere, Wollgras, oder Sonnentau und Timotei. Ist ja auch egal. Die Biologie der Insel ist mir fremd; es war schwer genug, mir einen Überblick über Fische und Vögel zu verschaffen. Aber wenn einige Kräuterzweiglein einige Monate lang in einem Einmachglas dem Schnaps eine Seele geben dürfen, ist das Ergebnis wirklich umwerfend. Es schmeckt nach Wald und Heide. Und ist etwas ganz anderes als Suff und Erniedrigung. Ein Eierbecher. Höchstens zwei. Zum Beispiel zum ersten Hammeleintopf oder zur Schweinerippe zu Weihnachten. Und jetzt also ein Glas, weil die Klerke kommen, oder vielleicht genauer gesagt, weil ich beschlossen habe, Berit nicht im Stich zu lassen, ich weiß ja, dass sie in solchen Fällen eine gewisse Rückendeckung braucht, viele Menschen und Gerede und Geschrei, und es ist ja auch so, dass sie für mich da ist, ich meine, wozu sollte man denn zusammen sein, wenn man nicht zusammen ist?
Wir sind zusammen!
Was für erlösende Worte, denke ich, als ich in Magnes gutem Anzug dastehe und den Schnaps sinken lasse.
Wir sind zusammen und ich liebe dich!
Zweimal die Kombination von drei schlichten Wörtern. Starke, flotte Kombinationen. Wir. Ich. Dich. Zusammen. Liebe. Lieben zusammen. Wenn ich das richtig verstanden habe, stellen diese Wörter, diese seltenen Kombinationen, den eigentlichen Kern dar, das Kostbarste, was es zwischen Menschen gibt. Wir? Was mit uns los ist? Naja, wir lieben einander. Wir sind zusammen. Mehr gibt es über diese Angelegenheit wohl eher nicht zu sagen.
Aber Magnes Schlips will ich nicht haben. Nicht, weil es Magnes Schlips ist, natürlich, sondern weil der Schlips, dieses Kleidungsstück an sich (oder wie man es nennen soll) nicht zu dem Typ von Mann passt, den ich vertreten möchte. Repräsentieren. Wenn Männer wie ich oder Magne, ganz zu schweigen von Reinert von Neset, sich farbenprangende Stoffstreifen um den Hals schlingen, die noch dazu direkt unter dem Adamsapfel zu einem Knoten zusammengezurrt werden, ja, dann sieht das unfrei und arrangiert aus. Jeder Idiot begreift, da steht ein Mann mit einem Fremdkörper um den Hals. Dort steht ein Mann, der sich verkleidet hat.
So nicht. Und deshalb bleibt der Schlips über der Türklinke hängen.
Ich habe den Eindruck, dass es vor allem als Witz gemeint war.
Und wir fahren durch diese windgebeutelte Landschaft, Arne und ich vorn, die Mädels hinten, auch Arne ohne Schlips, ja, sogar ohne Anzug, weshalb ich mir ein wenig blöd vorkomme. Aber nur ein wenig, es kann ja sogar sein, dass er ein wenig blöd ist, weil er an einem solchen Tag ohne Schlips auftritt, sieh dir Ulf an, sagt Ellen, da hast du einen Mann, der weiß, wie man sich kleidet. Du dagegen. Ja, ja, meint Arne, das mag wohl so sein, aber ist der Vågsvikinger auf die Idee gekommen oder war das Berit, da darf man schließlich glauben, was man will, und dann lachen wir ein wenig, im Auto herrscht überhaupt eine gute Stimmung. Es gefällt mir, dass der Spitzname »Vågsvikinger« sich auf der Insel auszubreiten scheint, denn wenn man schon einen Spitznamen haben muss, und eigentlich muss man das hier oben, dann ist Vågsvikinger durchaus nicht zu verachten, ich muss zugeben, dass ich im Laufe der Jahre schon schlimmer beschimpft worden bin, ich schaudere, aber dann zerschlage ich die
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