Den Oridongo hinauf (German Edition)
genauer sagt, diese fünf CDs – in meinem weiteren Leben eine zentrale Rolle spielen werden. Am fünften Tag. Und also diese fünf CDs.
Bin ich ein Mann, der an geheimnisvolle Zusammenhänge im Leben glaubt?
Nein. Aber bald werde ich zu einem werden.
Auf dem Weg hinaus werfe ich einen Blick auf die andere Seite des Eingangsbereichs, in die Cafeteria, wo ich an einem Tisch Arne Svendsen und Ove Mellberg entdecke – den Jäger. Arne winkt mir zu, es ist ein schlaffer, verständnisinniger Gruß, den ich aus irgendeinem Grunde beantworte, indem ich den linken Daumen hebe – ich bilde mir plötzlich ein, dass wir es so halten sollten.
Und in derselben Sekunde sehe ich ein warmes Frikadellenbrot mit Zwiebeln vor mir, die Frikadelle angerichtet auf einem grünen Salatblatt. Es ist in gewisser Hinsicht ein Bild vom Hunger der Vergangenheit, oder genauer gesagt, davon, wie der Hunger der Vergangenheit in glücklichen Augenblicken gestillt wurde. In der Zeit, ehe uns der kulinarische Schnickschnack überfiel, das viele Neue, ich weiß nicht, wie das alles heißt, fremde Käsesorten und Brotarten.
Aber ich weiß, dass es in der Cafeteria im Gemeindehaus von Laugen gute altmodische Buletten gibt. Mit oder ohne Spiegelei.
Soll ich?
Zögernd bleibe ich stehen.
Und da kommt Arne Svendsen zur Tür, zur großen Glastür. »Aber jetzt setz dich doch endlich, Mann! Oder hast du keine Zeit? Musst du vielleicht wieder zu einer Aufsichtsratssitzung?«
Wir lachen einander an. Das gefällt mir. Hier stimmt alles. Wir sind keine engen Freunde, aber ich muss inzwischen doch sagen, dass wir wirklich gute Bekannte geworden sind. So muss ich das sagen dürfen. Das mit engen Freunden ist übrigens etwas, das ich hinter mir gelassen habe. Es wird leicht zu kitschig, nach meinen Begriffen. Außerdem: Was soll man damit, wenn man eine Lebensgefährtin hat? Jetzt, wo ich Berit habe? Gehört zu dem Begriff Lebensgefährtin nicht sowieso dazu, dass sie zugleich mein bester Freund ist?
Doch. Das möchte ich meinen.
Arne Svendsen erinnert mich abermals an seine Anwesenheit.
Es begibt sich also an diesem Tag, der dann später als der »fünfte Tag« bezeichnet werden wird, dass ich meinen Einzug in der Cafeteria in unserem Gemeindehaus halte, wo ich eine warme Bulette mit sehr viel Zwiebeln und ein großes Glas Limonade bestelle und erhalte und mich dann in Gesellschaft von Arne Svendsen und Ove Mellberg darüber hermache, die ihrerseits Kaffee trinken und ganz dünne, weiche Waffeln mit Zucker und Zimt verzehren.
Das Gespräch verläuft ungefähr so:
Ove: »Was Neues?«
Ich: »Nein.«
Arne: »Er muss ins Meer gegangen sein. Von der Strömung nach Skarven mitgenommen. Die ist verdammt stark.«
Ich: »Wie geht es ihr? Der Mutter?«
Arne: »Die ist offenbar total apathisch. Das ist ja auch kein Wunder. Herrgott, es ist ja für uns andere schon kaum zum Aushalten.«
Ove: »Und dann müssen sie ihn also unter die Erde bringen, während der Junge … Nein, verdammt.«
Ich: »Ich bin wirklich schrecklich froh darüber, dass ich ein einfacher Mann bin, der Holz stapelt und am Boot herumbastelt. Und nicht zum Beispiel Gunnar Pfaff, der versuchen muss, zu verstehen und aller Welt zu erklären, was Jesus sich bei der Sache wohl gedacht hat.«
Arne: »Gut gesprochen, Vågsvik! In solchen Fällen sollten sie wohl eigentlich einfach die Fresse halten. Orgel spielen und einfach die Fresse halten.«
Ove: »Naja. Er wird schon einen Versuch machen. Wann ist die Beerdigung?«
Arne: »Jetzt am Freitag. Da wird es wohl reichlich voll werden.«
Ove: »Es ist doch fast nicht zu glauben. Da setzt er sich ins Auto und fährt seine Familie durch halb Europa, bis herauf in unseren abgelegenen Winkel. Dann bekommt er eine Tasse Kaffee und zwei belegte Brote und dann geht er kopfüber zu Boden. Da wollte er den Rest seines Leben hier verbringen…«
Ich: »Und dann hat der Rest seines Lebens nur etwas mehr als zwei Stunden gedauert.«
Arne: »Na. So ist es eben. Und ich finde das mit dem Jungen wirklich noch schlimmer. Dass auch er…«
So machen wir eine Weile weiter. Ich esse mein Frikadellenbrot, und sie machen sich über ihre Waffeln mit Zucker und Zimt her, und zwischen den Bissen, den Schlucken von Kaffee und Mineralwasser, lassen wir das Gespräch ablaufen, das alle auf der Insel nun seit fast fünf Tagen in ziemlich identischen Varianten führen.
Und dann passiert das, was – jedenfalls für eine knappe Stunde – das neue kollektive
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