Den Oridongo hinauf (German Edition)
eigenes Haus ziehen müssen. Dass sie jetzt nicht mehr auf dem Armenteil hausen können. Jetzt müssen sie neu anfangen oder ganz einfach zum Alten zurückkehren.
»Er wird morgen begraben«, sagt Lakseng.
Dazu sage ich nichts. Das wissen alle.
Wir gehen den Hang hoch, zum Haus und zu seinem Auto.
Berit steht hinter dem Küchenfenster und knetet einen Brotteig. Winkt mich mit einer Hand voller Mehl ins Haus.
Aber ich schüttele den Kopf. Ich will mich nicht umziehen. Ich will der sein, der ich bin. Ein Fischerbauer ohne richtige Ausbildung, mit einem hässlichen Overall und einer Windjacke. Der aus TV 2.
Ich glaube, dass sie das im tiefsten Herzen versteht. Jedenfalls knetet sie ohne weiteres Getue weiter ihren Teig.
Haben sie und Robert Lakseng miteinander gesprochen? War er in der Küche und hat seinen Spruch aufgesagt? Aus irgendeinem Grund quält mich diese Vorstellung. Ich weiß nicht, warum. Doch. Es ist das Bild des jungen verlassenen Lehrers und der reifen Frau. Warum fällt es mir so schwer, jemandem zu vertrauen? Ihr zu vertrauen? Ist das genetisch bedingt, oder hat das Leben mich das einfach gelehrt? Dass Vertrauen zu anderen so ungeheuer schwer zu sein hat? Hat mein Vater meiner Mutter vertraut? Das werde ich niemals erfahren. Nun ist es ja nicht so, dass ich glaube, dass sich dort in der Küche etwas abgespielt hat. Aber immerhin, die Tatsache, dass sie aller Wahrscheinlichkeit nach dort drinnen gestanden und über mich gesprochen haben… So muss es doch sein, denke ich. Hier kommt Robert Lakseng angefahren. Hält auf dem Hofplatz. Da ist es doch nur natürlich, dass er zur Tür geht und anklopft, eventuell einfach hineingeht, so, wie es dem Mythos gemäß auf dem Lande Brauch ist.
Da haben sie gestanden und über mich gesprochen. Was ist denn daran so schrecklich? Ulf? Der ist mit dem Boot beschäftigt. Ja, sie hätten sich also gedacht … dass vielleicht … Ein Versuch kann doch nichts schaden … dann sprich doch einfach mal mit ihm.
Es ist wirklich schwer sich vorzustellen, dass es mehr gewesen sein kann, oder etwas anderes.
Wir fahren mit Robert Laksengs Wagen in Richtung Laugen. Ich bin wieder ganz ruhig. So geht das mit den Jahren. Ich kann mich schneller beruhigen, wenn jemand mich reizt. Es gibt nur noch selten Zirkusvorstellungen, um es mal so zu sagen.
Wenn ich Lakseng von der Seite her ansehe, denke ich, mit dir hätte ich in den alten Tagen eine oder zwei Runden machen können. Weil du hinter meinem Rücken vorgehst. Weil du mit Berit redest, ohne dass ich das weiß. Weil du nicht direkt zu mir kommst.
»Du hast wirklich Glück«, sagt er. »Ich hoffe, darüber bist du dir im Klaren.«
Ich verstehe, dass er damit Berit meint. Er ist also nicht ganz ohne Interesse. Er hat sich seine Gedanken über sie gemacht.
»Ja«, sage ich. »Darüber bin ich mir im Klaren.«
Meine Stimme ist fest wie ein Fels.
»Sie hat auch Glück. Es ging ihr so schlecht, als Magne … aber das weißt du sicher.«
Das weiß ich durchaus. Aber das geht keinen einzigen Grundschullehrer auf der ganzen Welt etwas an. Außerdem betrachte ich solches Gerede als Schleimerei.
Das sage ich nicht.
Ich sage: »Bleibst du?«
»Ja. Ich bleibe. Ich habe mich entschieden. Sie sind nur nach Trondheim gegangen, also … da kann ich die Kleine ab und zu sehen.«
Ich finde, die Sache wird jetzt ganz schön intim, also wechsele ich zu Tom über. Nicht dazu, was passiert sein kann und überhaupt, das kann ich einfach nicht mehr ertragen, sondern zu der Tatsache, dass er sich offenbar in sich verkrochen hat.
»Was sagt der Psychologe?«
»Dass wir erst einmal abwarten müssen. Dass wir ja doch nichts machen können. Es wäre doch auch kein Wunder, wenn er ganz einfach eine Depression hätte.«
Was fühle ich? Ich fühle mich ein wenig wichtig. Ich will das nicht anders sagen, genauer gesagt, ich will das natürlich nicht sagen. Aber ich fühle mich ein wenig wichtig. Weil jemand mir eine solche Rolle zugedacht hat. Vielleicht sollten wir Ulf Vågsvik dazuholen und sehen, ob der ihn öffnen kann. Doch, es ist wunderbar. Ich kann mich nicht erinnern, wann mir ein solches Vertrauen erwiesen worden ist. Aber gerade deshalb macht diese Situation mir auch Angst. Ich kann mir um nichts in der Welt vorstellen, wie ich diese Aufgabe lösen soll. Ich war noch nie ein besonders guter Problemlöser. Gelinde gesagt.
Lensmann Tharald Reine und seine Frau Eli wohnen in einem großen alten Holzhaus mit Blick über den Sund und
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