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Den schnapp ich mir Roman

Den schnapp ich mir Roman

Titel: Den schnapp ich mir Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sasha Wagstaff
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der Zeitpunkt, das zu besprechen.
    »Ich werde Ihnen keine Vorwürfe machen«, sagte er sanft. »Ich denke, wir können uns durchaus miteinander unterhalten, ohne uns gleich anzubrüllen.«

    Tessa blieb daraufhin stumm, kaute aber nachdenklich an der Unterlippe. Will merkte, dass sie ihm das gleiche Misstrauen entgegenbrachte wie er ihr. Nachdenklich rieb er sich das Kinn und kratzte die frischen Bartstoppeln. »Okay. Na, vielleicht kommt eine höfliche Unterhaltung wirklich nicht in Frage.« Er sah sich nach etwas zu lesen um und griff nach dem erstbesten Buch im Regal. »Wie wäre es mit ein paar Gedichten?«
    Tessa nickte kaum wahrnehmbar. Will lehnte sich im Sessel zurück.
    »Der Ort deiner Seele sei licht!
    Kein lieblicher Wesen als du
    Schwang je sich aus sterblicher Sicht …«
    »dem Kreis der Seligen zu …«, endete Tessa schläfrig. Ihr war aufgefallen, dass Wills blaue Augen sich verdunkelten, wenn er sich konzentrierte. »Ich liebe dieses Gedicht.«
    »Sie mögen Byron?«
    »Überrascht Sie das etwa?« Tessa wusste, wie herausfordernd sie klang.
    »Ja, vermutlich …«
    »Ich habe englische Literatur studiert.«
    »Das meine ich nicht. Nur … ich kenne nicht viele Frauen, die Byron mögen. Das ist alles.«
    Er kannte eigentlich nur eine, und das war seine Verlobte. Seine Verlobte! Will richtete sich kerzengerade auf und stellte den Kaffeebecher mit hartem Aufprall ab. Er hatte in den letzten Stunden überhaupt nicht an Claudette gedacht. Er war enttäuscht gewesen, dass sie nicht zur Party kommen konnte. Aber danach hatte er sich ausschließlich darauf konzentriert, dass alles erfolgreich verlief. Und sich dann um Tessa gekümmert. Aus den Augen, aus dem Sinn? Galt das bei ihm für Claudette? Will war verwirrt. So war das vorher nie gewesen. Er hatte ständig an sie gedacht,
und es hatte ihn verrückt gemacht, dass sie immer noch in Frankreich war, während er in England sein musste, um das Hotelprojekt zu betreuen. Irgendwie… Will starrte auf Tessas gebräunte Schulter in dem absurd attraktiven rosa Kleid. Irgendwie schien Claudette nun Millionen von Kilometern entfernt, wie eine Ausschneidefigur, flach, unwirklich. Aber er hatte nicht die geringste Ahnung, warum das so war.
    »Ich kenne auch nicht viele Männer, die Byron mögen«, unterbrach Tessa seine Gedanken. Sie richtete leicht belustigt die moosgrünen Augen auf ihn. »Mein letzter Freund fand, dass Lyrik nur etwas für alte Damen sei. Er hat Byron sogar mal als Vollidioten bezeichnet.«
    »Als Vollidioten? Interessant.« Will sah, wie sie Austin hinter den Ohren kraulte und merkte plötzlich, dass er ungeheuer eifersüchtig auf den Hund war.
    »Ja, nicht wahr?« Urplötzlich war Tessa wieder nüchtern. Ihr Blick umwölkte sich. »Aber er fand auch, dass zwei Freundinnen zu haben völlig normal sei, daher brauchen wir uns um seine Meinung nicht allzu viele Gedanken zu machen.«
    Tessa fielen die langen kastanienbraunen Locken übers Gesicht. Will durchfuhr ein Beschützerinstinkt, der von jeder Faser seines Körpers Besitz ergriff. Was zum Teufel war nur mit ihm los? Er mochte Tessa nicht einmal leiden, und ihre Ehemaligen waren ihm sicherlich völlig egal. Was sie gerade beschrieben hatte, klang allerdings fürchterlich. Er trank einen Schluck Kaffee. Vermutlich hatte er doch mehr Champagner getrunken, als er gedacht hatte.
    »Lesen wir weiter«, sagte er rasch, weil er nicht mehr über Tessas Privatleben reden wollte. Es war nicht angebracht, dass er plötzlich Mitleid für sie empfand, ermahnte er sich. Sie war seine Gegnerin, das durfte er nicht vergessen. Wenn sie doch nur nicht so unwiderstehlich ausgesehen
hätte, mit der leicht verschmierten Wimperntusche, den vollen, traurig geschürzten Lippen. Plötzlich fiel ihm wieder ein, wie sorglos sie damals in Slip und BH über die Wiese gehüpft war. Sicherlich war Byron nicht die richtige Wahl, aber er versuchte, sich einfach von Tessas verführerischem Anblick loszureißen.
    Will schüttelte sich innerlich und zwang sich zur Konzentration. Er las mit sehr leiser Stimme weiter, seine Lieblingszeilen:
    »Seele, unsterbliche nun,
so wie du schon göttlich warst hier!
Und unsere Klagen lasst ruhn,
Wir wissen, dein Gott ist mit dir.«
    Es wurde allmählich dunkler, weil die Sonne nun untergegangen war, und obwohl er daran dachte, eine Kerze anzuzünden, wollte er den Zauber des Augenblicks nicht stören. Seine Stimme stolperte bei den nächsten Worten, weil sie ihn so rührten, besonders die

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