Den schnapp ich mir Roman
Zitronen auszuquetschen: Milly, Tristan, Henny – jeden Einzelnen.
Henny balancierte ein Tablett mit hausgemachter Limonade auf der Handfläche und stieß die Küchentür mit ihrem nicht unbeträchtlichen Hinterteil auf. Ihr ging immer noch Millys böser Kommentar durch den Kopf, aber sie versuchte sich einzureden, dass ihre Tochter es nicht so gemeint hatte. Sie war schließlich ein Teenager, und Teenager machten Mütter für alles und nichts in der Welt verantwortlich. Henny klammerte sich lieber an diese Tatsache, statt etwas Undenkbares zu glauben, nämlich, dass sich Milly in eine zweite Caro verwandelte und dass sie, Henny, indem sie sie hierher zurückgebracht hatte, dafür verantwortlich war, ein Monster zu züchten, genau wie Caro.
Wenn man vom Teufel spricht … Henny hörte Caros schrille Stimme vom Gang her, der früher zu den Dienstbotenzimmern geführt hatte. Sie hörte sie kichern und etwas flüstern, was verdächtig wie »du Schlimmer!« in entsetzlichem Französisch klang. Caro flirtete vermutlich mit dem verschlagen aussehenden Regisseur JB.
Henny war wegen Jack sehr aufgebracht, stellte entschlossen das Tablett ab und ging auf die Stimmen zu. Caro stand gegen die Wand gepresst und hatte beide Hände in JBs dunklen Haaren vergraben. Er küsste sie und schob ihr dabei geschickt den Träger ihres smaragdgrünen Trikots von der milchweißen Schulter. Als JB spürte, dass er Publikum hatte, drehte er sich um. Mit blitzenden Augen und einem unverschämten Lächeln sah er Henny an.
»Es tut mir ja furchtbar leid, Sie zu stören …«, murmelte Henny sarkastisch, klang aber völlig anders.
Caro kniff die Augen zusammen und schob langsam den Träger wieder zurück auf die Schulter. Sie konnte nichts gegen die Rötung unternehmen, die sich auf ihrem Busen ausbreitete, nichts gegen die hart aufgerichteten Brustwarzen, aber das war ihr egal.
»Es sollte dir auch leidtun!«, zischte Caro und schleuderte eine dicke rote Haarsträhne aus dem Gesicht. »Du kannst doch nicht einfach so hereinplatzen, Henny. Ich bitte mir ein bisschen Respekt aus.«
»Ist doch nichts geschehen«, mischte sich JB scheinbar unbeeindruckt von der Ablenkung ein. »Ich wollte sowieso gerade gehen. Ich melde mich, chérie , dann machen wir weiter.« Sein Tonfall war anzüglich. »Ernsthaft.« Beim Gehen zwinkerte er Henny schamlos zu.
Henny zögerte. Jack war ihr Bruder und der Grund, dass sie hier ein Dach über dem Kopf hatte. Wollte sie wirklich bleiben und mit ansehen, wie er in seinem eigenen Haus zum Narren gemacht wurde?
»Na, hast du nichts mehr zu sagen?«, spottete Caro, die Hände auf die herausstehenden Hüftknochen gestützt.
»Du kannst … das kannst du Jack nicht antun«, keuchte Henny. »Das hat er nicht verdient.«
»Nein? Woher willst du das wissen?«
Henny zuckte bei Caros schneidendem Tonfall zusammen. Caro blitzte sie wütend an. Henny hasste sich selbst, wie schwächlich sie sich benahm, aber sie war einfach nie tapfer genug, für sich selbst oder auch für Jack einzustehen.
Die perfekte Henny mit ihrer perfekten Ehe, was zum Teufel wusste sie schon, wie es war, mit einem Mann wie Jack verheiratet zu sein? Caro ballte die kleinen Hände zu Fäusten zusammen. Hatte Henny irgendeine Ahnung, wie
weh es getan hatte, als Jack sie zum ersten Mal betrog, wie es ihr das Herz in Stücke zerrissen hatte und dass es jetzt noch schmerzte, nach all den Jahren? Sie warf ungeduldig die Haare in den Nacken. »Ich habe jedes Recht, glücklich zu sein, und JB macht mich glücklich.« In den ersten Phasen einer Beziehung hatte sie eigentlich keine Ahnung, was kommen konnte, aber das war eben ihre Version der Geschichte.
»Caro, du musst einfach damit aufhören«, flehte Henny und versuchte, an Caros Gutmütigkeit zu appellieren, falls diese über so etwas verfügte. »Das schadet dir doch ebenso sehr wie Jack. Kannst du denn nicht erkennen, dass alles nur noch schlimmer wird?«
»Henny, das geht dich überhaupt nichts an. Und falls du wissen möchtest, was für dich gut wäre, dann halte besser den Mund. Okay?« Damit schob Caro sich an ihr vorbei und rannte den Gang entlang.
Als Henny das Gepolter hörte, wusste sie, dass das Tablett mit der Limonade durch die Luft geflogen war. Henny klammerte sich an einen nahen Tisch. Tränen sprangen ihr in die Augen.
Kapitel 9
Allmählich hatte Tessa die Nase voll. Die Interviews verliefen recht gut, aber langsam, und bisher war sie auf noch keine einzige Frage gestoßen, die
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