Den schnapp ich mir Roman
Heiligenschein umgab. Sie hielt sich an ihren Entschluss, Männer zu meiden, doch dieser Tristan sah verdammt gut aus. Er hatte Humor und bestätigte sie wie kaum ein anderer.
Aber würde sie tatsächlich eine Beziehung mit ihm anfangen? Tessa glaubte es nicht. Es war unmöglich, denn sie hatte viel zu viel zu tun. Außerdem zog er sie nicht auf diese Weise an. Henny und Sophie hatten beide angedeutet, dass sein Liebesleben ziemlich wild war, und sie war noch nicht annähernd über die Sache mit Adam hinweg.
»Dein Vetter … ist sehr nett«, erwiderte sie diplomatisch, weil sie Millys Begeisterung, andere zu verkuppeln, nicht dämpfen wollte. Ihr war klar, dass sie das vermutlich plante, weil sie selbst so verrückt nach Freddie war. »Er … sieht auch sehr gut aus.«
Milly schien zufrieden mit dieser Antwort und wechselte das Thema. »Ich glaube, India hat schon mit jemandem geschlafen, aber sie gibt es nicht zu.« Jetzt griff sie nach Tristans Chips, überlegte es sich aber anders, weil ihr der Vorsatz wieder einfiel abzunehmen, falls sie gefilmt würde. Ganz bewusst biss sie stattdessen in einen Apfel. »India tut immer ganz geheimnisvoll, was bedeutet, dass sie etwas vorhat. Sie hängt ständig in dem stinkenden alten Pub im Nachbardorf herum, weil jemand erzählt hat, sie hätten dort vor einer Weile Rufus und Will gesehen.«
»Sind die beiden immer noch befreundet?«, fragte Tessa vorsichtig. »Ich meine Will und Rufus.«
»Ich glaube schon.« Milly zuckte die Achseln und versenkte sich wieder in den Sturm . »Ehrlich gesagt weiß ich nicht viel über Rufus oder wie er zu Will steht. Ich weiß nur, dass sie zusammen Rugby gespielt haben, aber Will erwähnt Rufus nie, weil er fürchtet, dass wir es Ihnen weitererzählen.« Sie grinste Tessa freundlich an, deren Lächeln aber verschwand. »Daher kann ich Ihnen nicht weiterhelfen. Ich habe Rufus immer toll gefunden, aber ich frage mich jetzt, ob er wirklich Make-up trägt. Männer mit Make-up finde ich ziemlich abtörnend.« Ihre Gedanken flatterten umher wie ein Schmetterling. Dann konzentrierte sie sich wieder auf das Buch. »Wer ist denn dieser öde Caliban?«
»Caliban ist eine komische Figur, eine Art lustiger Wilder«, erklärte Tessa und spürte wieder das Misstrauen gegenüber Will. Außerdem fiel ihr auf, wie verletzlich Milly aussah, wenn sie sich nicht aggressiv verhielt. »Der Herzog, Prospero, nimmt ihn als Sklaven und foltert ihn, weil er versucht hat, seine schöne Tochter Miranda zu vergewaltigen. Aber er hält eine der wortgewandtesten und rührendsten Reden des ganzen Stücks, daher ist er eher ein integralerer Charakter, als man zuerst denkt.«
Milly hörte ihr gebannt zu und blätterte wieder zur ersten Seite zurück. Sie vergaß ihren Apfel und begann schweigend, das Stück noch einmal zu lesen.
»Das hier ist vermutlich viel spannender.« Grinsend hob Tristan seinen Roman hoch. »Aber einen Abschluss in Journalistik würde man damit wohl nicht bekommen. Schade, denn ich könnte eine wunderbare Seminararbeit darüber schreiben. Sehr frivol, alles über feucht-weiche Höhlen und aalgleiche Schwänze.«
Henny warf Tristan einen missbilligenden Blick zu und
schenkte Tessa ein Glas von ihrer selbst gemachten Limonade ein. »Ignorieren Sie ihn.« Sie sah kurz zu Milly, die Shakespeare nun mit größerem Intesesse las als jemals zuvor.
»Können Sie mir mit den Lammkeulen helfen?«, fragte Henny nun leise und winkte Tessa zu sich an den Herd. Sie schob Tessa das Hackbrett zu und sah wieder kurz zu Milly hinüber. »Wie gut Sie sich mit ihr verstehen, Schatz. Wenn ich ihr sagen würde, es wäre eine gute Idee, Englisch zu studieren, würde sie vermutlich aus lauter Trotz Mathematik wählen.«
Tessa bekam Mitleid mit Henny. »Schade, Henny, ich glaube aber, dass sie bloß der Ruhm und das Scheinwerferlicht an meinem Job interessiert. So ist es aber nicht.«
»Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen«, erwiderte Henny und richtete die in Scheiben geschnittene perfekt gegrillte rosa Lammkeule auf einer großen Platte an. Ihre Stimme klang verloren. »Milly ist genauso starrköpfig wie ihr Vater. Ich bin nur froh, dass sie auf Sie hört. Momentan hat sie kaum einen positiven Einfluss hier, mit India als bester Freundin und Freddie als Schwarm.«
»Oh, Sie wissen darüber Bescheid?«
Henny schob Tessas nicht ganz so hauchzarte Scheiben Lammfleisch ebenfalls auf die Platte und wischte sich dann die Hände an einem Handtuch ab.
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