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Den Tod im Blick- Numbers 1

Den Tod im Blick- Numbers 1

Titel: Den Tod im Blick- Numbers 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Ward
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oft ich um mich trat, sie kam immer wieder und holte sich den nächsten Tritt ab. Eines Tages sagte sie: »Jem, der Arzt meint, du bist jetzt so weit, dass du rauskannst. Komm nach Hause, Schatz. Komm mit mir nach Hause. Lass mich ein bisschen für dich sorgen.«
    Sie hatte sogar mein altes Zimmer für mich frei gehalten. »Ich streiche die Wände für dich. Wir fangen noch mal von vorn an. Welche Farbe magst du?«
    Und so kehrte ich zurück in die Sherwood Road und die Wände waren in Crème Caramel gestrichen, warm und honigfarben, in der Farbe der Steine von Bath. Ich blieb in meinem Zimmer, starrte die Wände an und hörte Musik, bis ich eines Tages mitkriegte, wie Karen wegging, um die Zwillinge zur Schule zu fahren, da begann ich zu zeichnen. Die erste Zeichnung entstand an meinem Bett, ein Engel, der über mich wachte, mich beschützte. Von dort aus arbeitete ich mich weiter voran, bis sie überall waren, an den Wänden und an der Decke, Wesen mit Flügeln, die hochkletterten und abstürzten. Manchen fehlte das Gesicht oder ein Arm, ein Bein. Einer hatte lächerlich lange Gliedmaßen und eine sprungfedernartige Afro-Frisur – ich zeichnete ihn ganz oben, wo er die Flügel ausbreitete und über die Decke flog. Einen kahlköpfigen kleinen setzte ich nach unten, direkt an die Fußleiste, mehr oder weniger in sich gekauert und die Flügel um sich geschlagen.
    Als Karen das Abendessen reintrug, ließ sie das Tablett fallen. Spaghetti bolognese spritzte überall an die Wände.
    Ich schnappte mir ein Taschentuch und fing an die Flecken abzuwischen. »Verdammt, was hast du gemacht, du dumme Kuh, du hast meine Bilder zerstört.«
    Danach landete ich wieder im Krankenhaus, und später, als ich nach »Hause« zurückkam, war alles übermalt – diesmal in milchigem Blau, das offenbar beruhigender wirkte. Nur dass man einige der Engel noch ganz leicht unter der Farbe durchscheinen sah, was ich schön fand. Ich hatte nicht mehr so viele Albträume, seit ich wusste, dass sie da waren.
    Es muss fünf oder sechs Monate später gewesen sein, als wir am Ende des Weston-Piers standen.
    Wir standen eine Weile verlegen rum, schließlich sagte Val: »Also dann.« Sie drehte den Deckel des Gefäßes auf. »Willst du es machen, Jem?«
    »Ähm, weiß nicht. Was muss man denn tun?«
    »Schütt es einfach aus. Halt es auf Armlänge übers Meer und dann kipp es aus.«
    Tränen brannten mir in den Augen. Ich hatte sie lange zurückgehalten, aber jetzt waren sie da wie kleine glühende Messer. »Ich kann nicht. Ich kann das nicht. Mach du’s, Val.«
    Sie presste fest die Lippen zusammen und versuchte Fassung zu bewahren, dann trat sie nach vorn. »Warte mal eben«, sagte sie. »Aus welcher Richtung weht der Wind? Wir wollen ja nicht, dass er … dass die ganze Asche auf uns weht.«
    Karen leckte sich den Finger und hielt ihn hoch. »Der Wind kommt von dort. Halt das Gefäß in diese Richtung, dann müsste es klappen.«
    »So.« Val holte tief Luft. Sie drückte den Körper fest gegen das Geländer und hielt es so weit raus, wie sie konnte.
    »Auf Wiedersehen, Terry, mein Schatz. Auf Wiedersehen, mein großartiger Junge.«
    Ihre Stimme stockte bei den letzten Worten und sie schluchzte ein wenig, als sie die Urne umdrehte. Graue Asche flog raus. Das meiste fiel aufs und ins Wasser, aber ein scharfer Windstoß nahm ein bisschen und blies es zu uns zurück. Es landete in unsern Haaren und auf unsern Kleidern.
    »Verdammte Scheiße, ich hab was ins Auge gekriegt! Kannst du was sehen, Karen?« Val taumelte vom Geländer zurück, die Urne in der einen Hand, mit der andern rieb sie sich das rechte Auge.
    »Komm her, Val. Lass uns mal sehen.« Während Val blinzelte und stöhnte und Karen ihr ins Gesicht sah und das Auge mit einem Taschentuch abtupfte, sah ich zu, wie langsam ein leichter Aschefilm von uns forttanzte. Das war, was von Spinne übrig war.
    Ich schaute auf meinen Mantel, der sich über meinem Bauch wölbte, und ließ die Hand auf dem Stoff nach unten gleiten. In mir drin spürte ich wieder so ein heftiges Zucken. Ich wusste es nicht genau, aber ich war mir sicher, dass es ein Junge würde. Er bewegte sich ständig, war in dauernder Unruhe. Genau wie sein Vater.
    Als ich den Mantel glatt strich, bildete sich an dem äußeren Fingerrand ein kleiner Streifen grauer Asche. Ich kratzte ihn zusammen und legte ihn mir auf die Handfläche.
    Spinne.
    Wie konnten wir das tun? Ihn einfach wegwerfen? Ich brauchte ihn doch bei mir, in meiner

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