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Den Tod im Blick- Numbers 1

Den Tod im Blick- Numbers 1

Titel: Den Tod im Blick- Numbers 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Ward
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stellen; sie wusste, was ich durchmachte. Sie hatte mit dem hier gewartet, bis ich aus dem Krankenhaus war. Die Einäscherung hatte ohne mich stattgefunden – offenbar ließ sie sich nicht endlos aufschieben –, aber Val hatte die Urne mit der Asche aufbewahrt, bis alle meinten, ich sei jetzt stark genug.
    Sie war auf die Station gekommen, um mich zu besuchen. Beim ersten Mal konnte ich nicht sprechen, weder mit ihr noch mit sonst wem. Mein Kopf versuchte noch immer, alles zu begreifen. Ich konnte Val auch nicht ansehen. Sie hatte mich gebeten, auf ihn aufzupassen, sie hatte ihn mir anvertraut. Und ich hatte sie enttäuscht. Ich hatte ihr Spinne weggenommen, obwohl ich wusste, dass er nicht mehr zurückkommen würde. Dennoch war sie nicht sauer auf mich, weiß der Teufel, wieso. Sie war sauer auf ihn.
    »Was hat sich der Holzkopf bloß dabei gedacht? Er musste mal wieder die große Schau abziehen, stimmt’s? Wenn ich ihn in die Finger bekäme, ich würde ihm den Hals umdrehen …« Ihre Hände zitterten in ihrem Schoß und hantierten mit der unangezündeten Zigarette rum. »Gibt es hier keinen Raucherraum, wo wir hinkönnen, Jem? Es bringt mich um …«
    Sie war wiedergekommen, obwohl ich das erste Mal kein Wort gesagt hatte und obwohl ich mich in merkwürdiger Gesellschaft befand: der des Schweigers, des Schreiers, der Betrogenen und der Traurigen. Beim zweiten Mal gelang es mir, ein Wort rauszukriegen. Ich hatte Tage gebraucht, es im Kopf zu formen, versucht mich zu erinnern, wie es funktionierte, was der Mund tat, um einen Laut zu bilden. Sie erzählte, aber ich hörte nicht, was sie sagte. So stark konzentrierte ich mich auf das, was ich unbedingt rausbringen musste. Sie schwieg, als sie sah, wie ich mich vorbeugte, wie mein Kiefer arbeitete, um den Mund zu zwingen, dass er sich tatsächlich bewegte.
    »Ent…ttsch…«
    »Was willst du sagen, Jem?« Auch sie beugte sich vor und blies mir ihren schalen, rauchigen Atem ins Gesicht.
    »Ent…ttsch…uldigung.«
    »Schätzchen, es ist doch nicht deine Schuld. Es ist niemandes Schuld. Na ja, ich denke, es war seine eigene dämliche Schuld. Wie hättest du das denn verhindern wollen?«
    Ich wollte ihr sagen, dass ich es gewusst hatte. Es war alles genau so geschehen, wie ich es geahnt hatte, so schnell, dass du es nicht verhindern konntest, und doch unendlich langsam. Jede Minute hatte unvermeidbar zur nächsten geführt. So viele Möglichkeiten, etwas anders zu machen, den Weg zu verlassen, auf dem wir waren. Ich hatte es im Kopf tausendmal durchgespielt. Ich hätte ihn beschützen müssen. Ich hätte … hätte … hätte …
    »Weißt du, ich hab ihn auf dem Polizeirevier getroffen«, sagte sie. »Ich war dabei, als sie ihn vernommen haben. Sie wollten es nicht – aber ich hab drauf bestanden. Ich war doch für ihn verantwortlich. Ich war doch das Einzige, was er hatte. Außer dir.« Sie knibbelte mit dem Zeigefinger am Rand ihres gelb verfärbten Daumennagels rum. Die Haut war schon ganz rot, kurz davor zu bluten. »Er hat gesagt, ihr wärt auf dem Weg nach Weston gewesen. Das hat mir einen Schrecken versetzt, echt. Wusste gar nicht, dass er sich daran noch erinnerte. Ich bin mit ihm dorthin gefahren, als er klein war, verstehst du? So eine Art Urlaub. Es freut mich, dass er das nicht vergessen hat …«
    Sie verstummte und wir saßen da, während in einem Stuhl in der Ecke ein anderer Patient vor und zurück, vor und zurück schaukelte, immer wieder.
    »Ich hab mir was überlegt, Jem. Wenn es dir wieder ein bisschen besser geht, könnten wir ihn doch dort hinbringen, nach Weston. Uns richtig verabschieden. Aber erst, wenn du dich besser fühlst. Es hat keine Eile.«
    Ich merkte nicht, dass was besser wurde. Ein Tag war für mich wie der andere: platt, leer, unter einer schweren Last zerquetscht. Aber nach ein paar Wochen sagten alle um mich rum, dass sie zufrieden wären und ich Fortschritte machen würde. Ich war wieder fähig, Wörter aneinanderzureihen, wenn mir danach war, und ich schaffte es auch, ein paar Happen zu essen. Doch nachts wachte ich immer noch auf, von Albträumen gequält, aber zu verängstigt, um zu schreien. Stundenlang lag ich dann da, unfähig, die Augen wieder zu schließen. Tagsüber ermutigten mich die Schwestern, zu zeichnen und so meine Gefühle rauszulassen. Ich hatte nichts dagegen, mit Papier und Filzstift am Tisch zu sitzen – ich konnte das ewig tun.
    Auch Karen besuchte mich regelmäßig. Um fair zu sein: Egal wie

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