Den Tod im Griffl - Numbers 3
flatternden Zeltstoff an den Rändern.
Wir waren nur ein paar Minuten fort. Jemand muss uns beobachtet haben. Sauls Männer. Während wir mit ihm gesprochen haben …
»Marty, sag schon. Was hast du gesehen?« Ich packe ihn an den Schultern. Immer noch weinend, versucht er sich loszuwinden. Ich schüttle ihn. »Was hast du gesehen?«, schreie ich.
»Das waren diese Männer«, schluchzt er. »Der eine hat Luke ins Gesicht geschlagen. Der andere hat Mia genommen … Brüll mich nicht an. Es ist nicht meine Schuld. Es …«
Adam ist schon auf den Beinen und rennt in den Wald.
»Es tut mir leid, es tut mir leid, Marty«, sage ich. »Ich wollte dich nicht … Bleib hier und pass auf Luke auf. Ich bin gleich zurück.«
Und dann renne auch ich, dresche durch das reifüberzogene Unterholz, knirschend, rutschend, kriechend hinter Adam her. Er läuft Richtung Straße. Ich höre die Maschinen aufheulen und stottern. Sie sind noch nicht aus dem Wald raus. Vielleicht ist es ja noch nicht zu spät.
Ich bin weit hinter Adam. Er ist schnell. Früher war ich es auch, aber jetzt nicht mehr, nicht in diesem Zustand. Mein Bauch wirft mich aus dem Gleichgewicht, aber in meinen Adern pulsiert jetzt reines Adrenalin. Ich muss zu ihr. Ich muss . Ich erreiche die Straße einen Sekundenbruchteil vor den Motorrädern. Sie kommen aus dem Wald geschleudert und stehen in unsere Richtung: eins, zwei, drei.
Mia ist auf dem zweiten Motorrad. Sie ist in ihre gestreifte Decke gewickelt und der Riese mit den langen Haaren hält sie, den Arm um ihren Bauch geklammert. Sie wehrt sich. Mein Herz setzt für einen Schlag aus.
»Mia!«, schreie ich und einen Moment lang hört sie auf sich zu wehren und schaut hoch. Ihr Gesicht ist ein Bild der Angst. »Mia!«
Adam spurtet auf die Motorräder zu und versucht ihnen den Weg zu versperren. Es ist verrückt. Die Maschinen sind riesig – protzige Teile aus finsterem Stahl. Saul und seine Kumpane lassen sich von uns nicht einschüchtern. Sie warten einen Moment, nicht länger, dann lassen sie die Motoren aufheulen, werfen sich nach vorn und rasen auf uns zu.
Ich will nicht, dass Mias Motorrad verunglückt, aber ich kann sie auch nicht einfach entkommen lassen, ohne zu versuchen, sie aufzuhalten. Saul jagt als Erster vorbei. Adam springt aus dem Weg. Sein Blick ist auf Mia und das zweite Motorrad gerichtet. Er versucht in den Lenker zu greifen. Die Maschine schwenkt von ihm weg und auf mich zu. Der Seitenspiegel trifft mich in Brusthöhe und ich werde nach hinten geschleudert. Das dritte Motorrad schwenkt nach links, dann sind sie fort und beschleunigen die Straße entlang.
»Nein! Nein! Mia!«
Direkt neben mir gibt es eine Explosion. Dann noch eine und noch eine.
Es ist Daniel. Er schießt auf sie. Eine der Maschinen schleudert, überschlägt sich und schlittert über die Straße. Irgendwas ist abgeflogen.
»Hör auf! Hör sofort auf!« Ich versuche wieder aufzustehen, beiße die Zähne zusammen gegen den Schmerz, werfe mich ihm entgegen, lege beide Hände auf den Lauf seiner Waffe und reiße sie nach oben in Richtung Himmel.
»Ich ziel auf die Reifen!«
»Mia ist auf einer der Maschinen. Hör auf!«
Er nimmt das Gewehr runter. Die andern beiden Motorräder werden langsamer – die Fahrer haben mitgekriegt, dass sie einen Mann verloren haben. Von hier aus kann ich nicht erkennen, wer am Boden liegt. War es die zweite Maschine, die umgestürzt ist? Ist es Mia? Adam, Daniel und ich rennen im selben Moment los. Ich spüre die Schmerzen, aber ich laufe weiter.
Eines der Motorräder dreht um, das andere fährt weiter die Straße entlang. Ich strecke die Beine, halte den Bauch mit den Händen und zwinge mich, schneller zu rennen. Mein einziger Gedanke ist Mia.
Das Motorrad wird zuerst da sein.
Ich bin noch fünfzig Meter entfernt, als es kreischend stehen bleibt. Adam ist näher dran. Der Fahrer steigt ab. Es ist Saul.
Ich schreie jetzt, während ich laufe. »Mia, Mia, Mia«, doch er kann mich nicht hören oder schert sich nicht drum. Er geht in die Hocke, untersucht den Körper am Boden. Eine Lache dunkler Flüssigkeit breitet sich auf dem Teer aus.
Ein Körper. Es ist der Drahtige.
Mia ist auf der Maschine des Langhaarigen. Sie ist fort.
»Saul! Saul! Bitte …« Ich keuche jetzt, keuche und schluchze und stolpere auf ihn zu.
Keine Reaktion. Er dreht nicht mal den Kopf. Er schaut nicht zu mir – oder zu Adam, zu Daniel. Stattdessen steht er auf, zieht einen Revolver aus seinem
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