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Den Tod im Griffl - Numbers 3

Den Tod im Griffl - Numbers 3

Titel: Den Tod im Griffl - Numbers 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Ward
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entfernt sich von mir und schüttelt den Kopf.
    »Sehr hübsch«, sagt er. »Nettes Kabinettstückchen. Nicht schlecht. Habt ihr das gehört? Die kleine Geschichte?«, fragt er die Weißkittel an den Monitoren. »Was sagen die Messwerte?«
    Ich drehe mich um. Einer der Weißkittel hält einen Ausdruck in der Hand.
    »Ja, wir haben alles«, sagt er. »Schöne gerade Linie von vorn bis hinten.
    Er schaut nervös zu seinem Chef.
    »Er sagt die Wahrheit.«

SARAH
    »Wo ist denn Mia?«, fragt Marion. »Wo bist du in deinem Bild?«
    Ich schaue zu ihr hoch. Sie notiert noch immer fieberhaft in ihren Ordner, während sie Mia beobachtet, als wär sie ein Tier im Zoo.
    Ich versuche mir nichts anmerken zu lassen, doch innerlich drehe ich völlig durch. Mia sieht Dinge, die auch Val gesehen hat – wie verrückt ist das denn? Wenn Adam hier wäre, wüsste er sofort, was los ist. Das hier ist etwas Gewaltiges, etwas Unfassbares.
    Mia unterbricht ihr Zeichnen. Ich weiß, dass sie Marion misstraut, aber sie liebt es zu zeichnen.
    »Hör nicht auf«, sage ich. »Es fehlt doch noch was, nicht? Ohne dich sind wir keine Familie. Mal dich. Mal Mia.«
    Sie schaut die Kreiden an und ihre Hand schwebt eine Ewigkeit über der Plastikhülle. Schließlich schaut sie Hilfe suchend wieder zu mir.
    »Weißt du nicht, welche Farbe du nehmen sollst?«, frage ich.
    Sie schüttelt den Kopf.
    »Nimm einfach irgendeine. Such dir eine richtig schöne aus.« Ich greife nach vorn und ziehe eine gelbe Kreide heraus. »Wie wär’s mit der da? Gelb wie die Sonne. Wie deine Haare.« Ich reiche ihr die Kreide und wuschel ihr durch die goldenen Locken.
    Marion schnalzt missbilligend mit der Zunge.
    »Hör auf, sie zu manipulieren«, sagt sie.
    Ich sehe sie an und schleudere ihr ein paar Pfeilspitzen entgegen.
    »Ich manipuliere nicht, ich helfe«, antworte ich.
    Mia malt eine gelbe Kartoffel neben die andern beiden.
    »Was noch, Mia?« Marion drängt sie jetzt.
    Mia legt ihre Kreide weg, nimmt das Blatt und gibt es mir. Ich drücke sie an mich und küsse sie auf die Wange. »Das ist wunderschön. Vielleicht können wir es ja bei uns im Zimmer an die Wand hängen, geht das?«
    »Ich mache eine Kopie, wenn du nichts dagegen hast.«
    Ehe ich merke, was passiert, hat mir Marion das Blatt aus der Hand genommen und ist damit aus dem Zimmer verschwunden. Mia fängt an zu wimmern und ich kann es ihr nicht verdenken – ich kann die Unverschämtheit dieser herrischen Kuh überhaupt nicht fassen. Wer nimmt denn einem Kind seine Zeichnung weg?
    Der Schlüssel, der sich im Schloss dreht, erinnert mich daran, dass das hier kein »Befragungsraum« ist. Es ist nur eine andere Zelle. Das macht mich krank. Ich halte es nicht noch eine weitere Nacht an diesem Ort aus. Es bringt mich um. Ich muss Mia und mich hier rausbringen.
    »Ihr gefällt das Bild auch«, sage ich zu Mia und versuche Marions Unverschämtheit abzumildern. »Das ist doch schön, nicht? Willst du noch ein Bild malen, solange wir warten?«
    Aber Mia ist jetzt müde. Sie hält mir eine schwarze Kreide entgegen.
    »Mummy malen«, sagt sie.
    Sie fasst nach der Puppe und rollt sich auf dem Sofa zusammen. Ich streichle ihre Haare, sie schließt die Augen und steckt ihren Daumen in den Mund. Bald wird sie noch jemanden malen können, einen Bruder oder eine Schwester.
    »Mia. Mia, was bringt uns die Zukunft?«, sage ich leise und es klingt fast wie ein Kinderlied. So sehr, dass es ganz von allein zu »Mariechen« wird.
    »Mariechen saß weinend im Garten, im Grase lag schlummernd ihr Kind. Mit ihren goldblonden Locken spielt säuselnd der Abendwind …«
    Ihr Atem wird tiefer und lauter. Sie schläft noch nicht, ist aber kurz davor.
    Mummy malen.
    Ich halte noch immer die Kreide in der Hand, die Mia mir gegeben hat. Langsam, fast schmerzlich nehme ich ein frisches Blatt vom Stapel auf dem Kaffeetisch. Lange schaue ich das Papier an. Ich habe Angst vor dem Weiß. Es war keine Zeit für Kreativität in den letzten zwei Jahren. Das tägliche Überleben hat alles beherrscht. Jetzt weiß ich nicht, wo ich anfangen soll.
    Ohne wirklich nachzudenken, beginne ich Mias Gestalt zu skizzieren, die Wölbung ihres Rückens, den leichten Heiligenschein ihrer Haare, das Profil ihres Gesichts. Sofort bin ich gefangen – vom Schauen und Zeichnen. Alles andere fällt von mir ab. Ein Teil von mir war zwei Jahre lang tot, jetzt ist er mit einer einzigen Skizze wieder lebendig. Ein paar Striche sind alles, schon ist sie da, auf dem

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