Den Tod im Griffl - Numbers 3
ihn aus. Er lacht, lässt mich los und stößt meinen Kopf von sich weg.
»Du kapierst es wirklich nicht, was? Dein Kind ist alles, was ich mir je erträumt habe, Adam. Was glaubst du, welche Fähigkeiten es haben wird? Deine und Sarahs, Mias und Vals? Es ist das Produkt aus Generationen von Menschen mit besonderen Gaben. Warum glaubst du, dass mir deine Zahl reicht, wenn ich seine haben kann?
Wie auch immer, ich kann dich nicht töten. Ich will dich noch nicht aufgeben. Denk doch mal, was wir erreichen könnten, wenn wir zusammenarbeiten. Du hast im Moment nicht den Mumm, aber du bist jung. Du kannst lernen. Wir können Blutsbrüder sein – Zahlenbrüder.«
»Bitte, Saul. Lass Sarah und das Baby in Ruhe. Ich bitte dich. Ich flehe dich an.«
»Wie ich gesagt habe, du bist jung. Du hast noch viel Zeit, neue Kinder zu zeugen. So viele du willst.«
Ich spüre die Gänsehaut in meinem Nacken.
»Hör auf. Red nicht so.«
»Wie rede ich denn? Wie jemand, der zweihundertfünfzig Jahre gelebt hat? Wie jemand, der den Ausweg kennt?«
»Nein, wie jemand, der vergessen hat, was Menschsein ausmacht.«
»Was macht denn Menschsein aus, Adam?«, fragt er. »Intelligenz. Tieren überlegen zu sein. Fähig zu sein, die Natur zu überlisten, zu triumphieren, fortzubestehen.«
Vielleicht hat er ja Recht, auf eine bornierte Weise. Aber er verpasst etwas. Etwas Großes.
»Was ist mit Liebe, Saul? Was ist mit der Sorge für andere Menschen, mit dem Zusammenarbeiten, dem Zusammenleben? Was ist mit Familie, Nachbarn, Freunden?«
»Unwichtig«, sagt er mit höhnischem Grinsen. »Menschen kommen und gehen – du wirst das noch rausfinden, wenn du den Weg gehst, den ich gewählt habe. Sinnlos, dich auf jemanden einzulassen, wenn er nach siebzig Jahren stirbt. Siebzig Jahre sind schneller vorbei, als du glaubst.«
»Aber darum geht es im Leben. Du bekommst eine Chance, es richtig hinzubekommen. Eine Lebenszeit, um es zu versuchen.«
»Das ist altes Denken. Ich kann so viele Leben haben, wie ich will. Ich kann immer weitermachen.«
»Aber jedes Mal, wenn du Leben gewinnst, stirbt jemand anderes.«
»So ist es eben.«
Ich hab es die ganze Zeit gewusst. Er ist ein kranker gefährlicher Mann.
Doch aus irgendwelchen verqueren Gründen, die nur er durchschaut, hat er sich entschieden, mich am Leben zu lassen. Und wenn ich lebe, wird mein Kind sterben. Das kann ich nicht zulassen. Niemals.
Ich muss ihn dazu bringen , mich zu töten.
»Du bist wirklich dumm, Saul«, sage ich.
Er lässt von mir ab, gerade so, als ob ich ihn geschlagen hätte.
»Dumm, zu glauben, dass ich dir jemals helfen würde. So weit würde ich mich nicht erniedrigen. Niemals. Nie. Und wenn du mich hier zurücklässt, werde ich fliehen und alles tun, um dich aufzuhalten. Ich werde allen genau erzählen, wer du bist und was du getan hast.«
Hinter mir zerrt Daniel an meinen Händen und versucht mich zum Schweigen zu bringen. Er weiß nicht, was auf dem Spiel steht. Er weiß nicht, dass ich es tun muss, dass ich es auf die Spitze treiben und Saul aus der Reserve locken muss, bis er vor Wut platzt.
»Du bist die schwächste, dümmste Person, die mir je begegnet ist. Du bist echt unter aller Sau. Du –«
Er nimmt seinen Revolver und hält ihn am Lauf, dann donnert er mir den Griff gegen den Schädel. Ich habe gerade noch Zeit, die Augen zu schließen und sie geschlossen zu halten, als die Wucht des Aufpralls mich umwirft und Daniel mitreißt. Ich bin weg, noch bevor wir auf dem Steinboden aufschlagen.
SARAH
Ich bewege mich weiter. Es gibt in bestimmten Abständen Lichter auf dem Weg, aber der Boden unter unseren Füßen ist purer Fels, manchmal feucht, und sehr uneben. Bestenfalls geht es in langsamem Laufschritt voran. Mia hält sich ziemlich gut, aber sie hat auch keine Wahl. Ich halte ihre Hand mit eisernem Griff und ziehe sie weiter.
Auf der einen Seite neben uns sind reihenweise Kartons und Kisten übereinandergestapelt, auf der andern ist purer Fels. Die Decke ist hoch über unseren Köpfen – das Ganze ist riesig. Gerade als ich mich frage, ob wir noch auf dem richtigen Weg sind, sehe ich die nächste Markierung am Fels. Sie ist nicht leicht zu erkennen – man würde sie nicht sehen, wenn man nicht wirklich drauf achtet. Jede erscheint uns wie ein Lottogewinn.
Plötzlich habe ich das Gefühl, dass die Wände auf uns zukommen. Die Kartons und Kisten stehen jetzt nur noch in einer Reihe übereinandergestapelt, so dass man den Fels dahinter sehen
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