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Den Tod im Griffl - Numbers 3

Den Tod im Griffl - Numbers 3

Titel: Den Tod im Griffl - Numbers 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Ward
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mit ganz Jungen, ganz Alten und Kranken. Die Hälfte der Fenster fehlt und nicht alle Wände stehen noch, aber trotzdem ist es ein wunderschöner Ort. Obwohl alle beschäftigt sind, liegt über dem Ganzen ein Gefühl des Friedens.
    Wir werden in einen kleineren Raum in der Kirche geführt, eine Kapelle, nehme ich an. Die Menschen eilen umher, holen Bettzeug und Decken und bald ist eine Art Nest für uns bereitet, abseits von allen andern. Jemand bringt heißen Tee und dann, was noch viel schöner ist, lassen sie uns allein. Niemand nervt, niemand drängt sich auf. Wir vier kuscheln uns unter einer Decke zusammen, Mia immer noch an Adam geklammert und das Baby in meinen Armen.
    »Adam«, flüstere ich. »Ich muss dir was sagen.«
    »Und ich habe dir so viel zu sagen«, antwortet er, »dass ich fast platze. Aber ich muss erst noch was tun. Ich will nicht, aber ich muss.«
    Er ist jetzt nervös, presst die Lippen zusammen und blinzelt mit den Augen.
    »Was denn?«
    Er antwortet nicht, sondern beugt sich vor und kitzelt das Gesicht des Babys, die runde pfirsichweiche Wange. Das Gesicht zuckt als Reaktion und das kleine Wesen drückt seinen Kopf gegen den Finger. Unsere Tochter ist wach.
    »Was machst du?«, frage ich, doch innerlich weiß ich es.
    »Ich versuche sie aufzuwecken. Ich muss … ich muss ihre Zahl sehen. Ich will nicht, aber ich muss.«
    Er sieht zu mir, will, dass ich ihn ermutige, und dann sieht er meinen Gesichtsausdruck. Er runzelt die Stirn. Ich muss es ihm sagen.
    »Sie ist wach, Adam«, sage ich. »Sie kann nur ihre Augen nicht öffnen.«
    »Was?«
    »Sie hat keine Augen. Deshalb hat Saul ihre Zahl nicht genommen. Er konnte nicht.«
    Die Runzeln in Adams Gesicht werden tiefer. Er blinzelt und ich weiß nicht, was in ihm vorgeht, was er empfindet. Angst? Abscheu?
    Er starrt das Gesicht unseres Babys an.
    »Adam, du darfst sie nicht hassen. Sie ist trotzdem unsere Tochter. Es ist nichts Schlimmes – es hat ihr das Leben gerettet.«
    Er beachtet mich nicht, er starrt sie immer noch an.
    »Du darfst sie nicht hassen.«
    Dann fährt er vorsichtig mit dem Daumen über die Stelle, wo ihre Augen sein sollten. Die Falten auf seiner Stirn verschwinden. Sein Gesicht entspannt sich.
    »Ich werde sie niemals wissen«, murmelt er vor sich hin. »Ich werde ihre Zahl nicht erfahren.«
    »So wie alle andern«, sage ich. »Die wissen sie auch nicht.«
    »Wie ihr andern«, wiederholt er meinen Satz. »Ich kann sie ansehen und ich bin wie ihr. Ich kenne nicht ihr Ende. Das Einzige, was ich weiß, ist, dass es für uns ein Heute gibt.«
    »Ist das in Ordnung? Kannst du dich damit abfinden?«
    »Natürlich. Natürlich kann ich das«, sagt er. »Ich hasse sie doch nicht, Sarah. Ich könnte sie nie, nie hassen. Aber sie wird es schwer haben. Es ist eine harte Welt. Wenigstens muss sie nicht mit der Gabe leben, die Saul sich von ihr erhofft hat.«
    »Ja, vielleicht ist das eine Gnade. Und sie wird in Liebe aufwachsen, Adam. Mehr braucht sie nicht.«
    »Ich möchte sie halten«, sagt er. »Mia, sollen wir mal das Baby halten?«
    Mia hat noch immer kein Wort gesagt. Schweigend und in sich zusammengerollt ist sie in Adams Armen geblieben. Ich sehe sie an, frage mich, was sie zu uns zurückbringen kann, und ich merke, dass die schwarzen Punkte im goldenen Schein, der Mia umgibt, größer geworden sind. Sie haben sich ausgedehnt, breiten sich aus wie Flecken.
    »Mia, ich will dich in den Arm nehmen. Komm mal her.«
    Sie schmollt und sieht mich aus dem Augenwinkel an. Sie windet sich ein bisschen los und lässt zu, dass Adam sie neben mich setzt. Ich lege meinen Arm um ihre kleinen Schultern.
    »Jetzt ist alles gut, Mia«, sage ich. »Wir sind in Sicherheit.«
    Adam nimmt mir das Baby ab und hält es dicht an sich. Sie kuschelt sich ein und die beiden wirken so glücklich zusammen. Ich muss wieder daran denken, was Adam gesagt hat. England ist ein hartes Pflaster zum Leben geworden. Sind wir wirklich sicher? Was zum Teufel hält die Zukunft für uns bereit? Ich schiebe diese Gedanken weg, küsse Mias lockige Haare und wärme mich an dem Moment, diesem Frieden, dieser Innigkeit. Hier und jetzt.
    »Adam«, sage ich später, »wir könnten sie Gemma nennen. Nicht genau wie deine Mutter, aber doch ähnlich, als kleinen Tribut. Aber nur, wenn das für dich okay ist. Wir können sie auch anders nennen, wenn dir das …«
    »Gemma«, wiederholt er. »Gemma. Das klingt schön.«
    Dann sieht er mich mit Tränen in den Augen an. »Danke,

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