Den Tod vor Augen - Numbers 2
Gesicht.
»Iiih.«
»Hier«, sage ich und halte ihr die Sachen hin, die ich geholt habe. »Die passen vielleicht. Bis wir deine gewaschen haben.«
Mia hat den Kopf gedreht, als sie meine Stimme hörte. Jetzt gibt sie eine Art Schrei von sich. Wir sind alle überrascht. Ohne nachzudenken, strecke ich die Arme nach ihr aus.
»Ist das okay für dich?«, frage ich Sarah. Sie fühlt sich genauso ertappt wie ich.
»Ja, ich glaub schon.«
Ich nehme das Baby und halte es ungeschickt.
»Leg deine Hand auf ihren Rücken, damit sie nicht nach hinten kippt.« Sarah führt meine Hand an die richtige Stelle.
Das Gesicht des Babys liegt jetzt ganz dicht an meiner Schulter. Ich recke den Hals, um sie sehen zu können.
»Hallo«, sage ich.
Sie starrt mich aufmerksam an. Mir dreht sich der Magen um, als ich wieder ihre Zahl sehe. Wieso soll jemand, der so jung und so wunderschön ist, sterben?
Ihre Hand stößt gegen mein Gesicht, auf der schlechten Seite, und die Finger rollen sich ein, so dass sie sich in die Haut graben.
»Mia, lass das, du tust ihm weh! Komm, ich nehm sie wieder.« Sarah macht einen Schritt nach vorn, bereit, sie mir abzunehmen.
»Nein, ist schon okay. Sie tut mir nicht weh.« Das ist gelogen. Einer der Finger hat eine wunde Stelle gefunden, aber ich will, dass sie bleibt. Ich hab noch nie ein Baby gehalten. Es ist wunderbar. Oder vielleicht ist es auch nur bei diesem Baby so. Sie schreckt nicht vor mir zurück oder gerät außer Fassung bei meinem Anblick: Sie schaut einfach nur.
Als ich zu Sarah hinübersehe, lächelt sie, das erste Mal heute. Es ist überhaupt das erste Mal, dass ich sie richtig lächeln sehe. Das Lächeln verwandelt ihr Gesicht.
»Du machst das gut mit ihr«, sagt sie. »Sie mag dich. Normalerweise schreit sie sich die Kehle aus dem Leib, wenn ich sie jemand anderem gebe.«
»Ich bin ein Naturtalent«, sage ich. Es ist ein Witz, aber innerlich fühle ich mich wie ein Held.
Und dann hören wir Schritte auf der Treppe und Oma kommt rein. Sie schaut von dem Kinderwagen zu Sarah, die in die zwei Badetücher gewickelt vor ihr steht.
»Verdammt«, sagt sie, »volles Haus. Was soll das alles?«
Sarah zieht die Schultern hoch, in die Verteidigungshaltung.
»Hallo«, sagt sie. »Ich bin Sarah. Ich …«
»Du bist das Mädchen aus dem Krankenhaus. Das Mädchen, das das Bild gemalt hat.«
»Das ist meine Oma«, stelle ich vor. »Val.«
Aber Oma lächelt nicht. Sie sieht mich an und ihr Gesicht wird ganz grau.
»Leg das Baby hin, Adam. Was glaubst du eigentlich, was du da tust?«
»Alles in Ordnung, Oma, sie mag mich.«
»Leg sie hin.«
»Oma, hör auf.«
Sie kommt auf mich zu und macht Anstalten, mir Mia aus den Armen zu nehmen. Mia hat Angst. Sie vergräbt ihr Gesicht in meiner Schulter.
»Was ist los mit dir, Oma? Sie mag mich.«
»Was mit mir los ist? Was ist mit dir los? Du hast doch ihr Bild gesehen – du weißt, was passieren wird.«
Und dann sehen wir beide Sarah an.
»Ich weiß, ich weiß«, sagt sie. »Aber im Moment ist es in Ordnung. Heute ist es kein Problem.«
Oma fährt herum.
»Willst du, dass sie ihn kennenlernt, ihm vertraut, sich am 1. Januar ihm zuwendet? Willst du das?«
Sarahs Gesicht verzieht sich.
»Nein, natürlich nicht. Ich weiß nicht. Ich weiß nicht.«
»Wieso bist du hier?« Die Härte in Omas Stimme verdeckt etwas anderes. Angst. Aber ich nehme nicht an, dass Sarah das weiß. Oma kann ziemlich einschüchternd sein, das stellt sie gerade unter Beweis.
»Wieso ich hier bin? Die Freunde, bei denen ich gewohnt habe, sind verhaftet worden. Ich habe sonst niemanden. Ich kann nirgendwohin. Aber ich gehe, wenn Sie das wollen. Ist schon in Ordnung. Wir finden was anderes.«
Sie legt ihre Hände an Mias Bauch, um sie aus meinen Armen zu nehmen. Mit der einen streift sie mich dabei. Die Hand ist so warm auf meiner Haut, so sanft. Ich spüre die Knochen unter der Haut. Das Gefühl wirkt wie ein Elektroschock. Es weckt mich auf.
»Oma, Sarah braucht eine Bleibe für heute Nacht. Ich habe ihr gesagt, sie kann hier schlafen. Sie kann in mein Zimmer und ich schlaf auf dem Sofa. Es geht nur um eine Nacht und ich hab ihr gesagt, das ist okay.«
Oma sieht mich an. Für den Bruchteil einer Sekunde weiß ich nicht, ob wir gleich einen riesigen Streit kriegen. Dann zuckt sie leicht mit den Schultern und schaut zu Mia.
»Okay«, sagt sie. »Ich werde dich nicht auf die Straße setzen, aber es ist ein Fehler. Ich spür es.« Sie macht einen Schritt auf
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