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Den Tod vor Augen - Numbers 2

Den Tod vor Augen - Numbers 2

Titel: Den Tod vor Augen - Numbers 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Ward
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mich zu. »Und wie heißt sie?«
    »Mia«, sagt Sarah.
    Oma kommt dicht heran. Das Baby weicht zurück, kann aber nicht widerstehen, trotzdem zu schauen.
    »Hab keine Angst«, sagt Oma und streichelt vorsichtig ihre Wange. »Ich bin keine böse alte Hexe. Ich bin eine gute.«

SARAH
    Gute Hexe, böse Hexe. Wo ist der Unterschied? Es sind nicht die knochigen, fleckigen Finger oder die drahtigen lilafarbenen Haare – es sind die Augen. Sobald sie dich mit diesen Augen fixiert, bist du erledigt. Es ist, als ob sie dich hypnotisiert. Du kannst nicht weggucken, ehe sie beschließt, dich freizulassen.
    Nachdem sie sich die Seele aus dem Leib gebrüllt und Mia halb zu Tode erschreckt hat, versucht sie gut Freund mit ihr zu werden, aber Mia will nicht. Sie klammert sich an mich wie ein Affe und schaut sie nicht einmal an. Also richtet Val ihre Aufmerksamkeit auf mich. Es ist, als ob ein Blitz durch meinen Körper fährt. Sie runzelt die Stirn.
    »Lavendel«, sagt sie, »Natürlich, aber auch Dunkelblau. Und alles in Rosa gebadet.«
    »Oma«, sagt Adam. »fang nicht wieder damit an.«
    »Was denn? Worum geht es?«
    »Um deine Aura«, sagt er mit einem Seufzer.
    »Meine was?«
    »Deine kosmische Ausstrahlung«, sagt Val. »Leuchtendes Rosa, sensibel und künstlerisch begabt. Lavendel, eine Visionärin, eine starke Träumerin. Dunkelblau – durchsetzt von Angst.«
    Ich fühle mich plötzlich nackt. Da steht diese Frau, diese komische verschrumpelte Alte mit Haaren, die mindestens drei Stufen zu grell gefärbt sind, und weiß alles über mich.  
    »Richtig.«
    Es ist eine Feststellung, keine Frage.
    »Ja«, hauche ich, »richtig.«
    »Sarah«, sagt sie und ich halte den Atem an und frage mich, was wohl als Nächstes kommt.
    »Ja?«
    »Du bist willkommen hier. Du bist willkommen in diesem Haus.« Und auf einmal fühle ich mich umfangen, umhüllt, als hätte sie mir eine Kuscheldecke über die Schultern gelegt. Ich kann es nicht erklären – es ist nicht bloß die Erleichterung, obwohl ich tatsächlich erleichtert bin –, es ist etwas Greifbares im Zimmer, eine Wärme, die sich wie Licht und Hitze zusammen anfühlt. Wenn es sich abfüllen ließe, könnte man ein Vermögen damit verdienen und auf dem Etikett würde so etwas stehen wie Geborgenheit, Liebe oder Zuhause. Ja, ich würde Zuhause draufschreiben. Und damit meine ich nicht das Zuhause, aus dem ich komme, sondern eines, das jeder haben sollte in einer perfekten Welt. Der Ort, wo du du selbst sein kannst, wo du dich geliebt fühlst. Mir ist nach weinen zumute, und es wäre in Ordnung, hier zu weinen, aber ich beiße mir auf die Lippe. Ich habe in den letzten Tagen genug geweint und genug gesehen, was mich dazu gebracht hat. Es wird Zeit, mit dem Weinen aufzuhören.
    »Danke«, sage ich. Und schließlich: »Ich geh dann mal und zieh die Sachen an.«
    Mia gab ich Adam. Sie klammert zuerst ein bisschen, als sie merkt, dass ich sie rüberreiche, doch als sie sieht, dass er es ist, entspannt sie sich und lässt sich willig von ihm nehmen. Es ist eigenartig, welche Zuneigung sie zu ihm hat. Bei anderen Menschen war das nie so. Sie ist schüchtern, vorsichtig. Vielleicht war mein Traum nur ein Mittel zum Zweck. Wir sollten Adam treffen und durch den Traum ist es möglich geworden. Er hat das Bild gefunden und dann habe ich ihn gefunden. Stimmt das? Ist das alles, was dahintersteckt? Wartet ein Glücklich-bis-ans-Ende-aller-Tage auf uns und kein Albtraum?
    Oben ziehe ich das T-Shirt und die Jogginghose an. Als ich das Shirt über den Kopf ziehe, verharre ich einen Moment und schnuppere an dem Stoff. Es ist sein Shirt. Adams Shirt. Ich möchte, dass es nach ihm riecht, nach dieser leichten Schärfe, und tatsächlich spüre ich sie ganz schwach. Ich ziehe das Shirt über den Körper. Der Gedanke an seinen Geruch auf meinem Körper verursacht ein Prickeln dort, wo der Stoff meine Haut berührt.
    Später trinken wir Tee, schauen fern und machen ein bisschen Gedöns um Mia. Keiner redet von Todesdaten, Albträumen oder Auren. Stattdessen nimmt Adam seine Oma auf den Arm und sie sagt: »Verzieh dich«, aber alles mit einem Lächeln und einem zwinkernden Auge. Die beiden lieben sich. Vielleicht wissen sie es ja nicht, aber in diesem winzigen, chaotischen und heruntergekommenen Haus herrscht Liebe.
    Die Nachrichten fangen an und wir schweigen eine Weile. Es ist das Übliche: Überflutungen, Hungersnot, Krieg. Japan ist in Gefahr – drei Vulkane drohen gleichzeitig auszubrechen.

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