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Den Tod vor Augen - Numbers 2

Den Tod vor Augen - Numbers 2

Titel: Den Tod vor Augen - Numbers 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Ward
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erwischt.
    Ich will das Richtige sagen, aber ich weiß nicht, was das Richtige ist. Sie ist so unberechenbar, alles kann bei ihr richtig oder falsch sein, man weiß es nie.
    »Es tut mir leid.«
    »Nicht deine Schuld. Hat nichts mit dir zu tun«, sagt sie, hat aber immer noch diesen Blick in den Augen, als ob sie erwartet, dass ich sie für irgendetwas verurteile. Ich geh auf sie zu, lege beide Arme um ihre Schultern. Wahrscheinlich ist es genau das Falsche, aber es ist die einzige Möglichkeit. Ihr ganzer Körper wird steif und ich denke: Scheiße, ich hab es versaut. Sie hasst mich.
    »Ich werde dir nie, nie wehtun, Sarah«, flüstere ich. »Ich verspreche es bei meinem Leben.«
    Sie steht noch immer da, als ob sie aus Stein wäre.
    »Du kannst so was nicht versprechen, niemand kann das«, sagt sie.
    »Doch, doch, das kann ich«, sage ich.
    Unsere Gesichter sind jetzt ganz dicht beieinander. Der Regen lässt ihre Wimpern zusammenkleben. Ich sehne mich so sehr danach, ihre Wimpern zu küssen, dass es wehtut.
    »Komm mit mir nach Hause, Sarah.«
    »Nein, nein, ich kann nicht.«
    »Du hast nichts, wo du hinkannst. Ich schon. Zumindest kannst du dich da aufwärmen, ein bisschen ausruhen und etwas essen.«
    Ein Windstoß bläst uns einen Regenschwall ins Gesicht. Ich mache einen Schritt zurück, damit ich sie richtig sehen kann.
    »Heute ist der 28.«, sage ich. »Dein Albtraum passiert erst am 1. Also sind wir sicher. Du bist sicher vor mir, ihr beide seid es. Komm nur für heute Nacht mit zu mir. Komm raus aus diesem Scheißwetter. Trockne dich ab. Wärm dich auf.«
    Sie schwankt.
    »Komm mit. Schlaf ein bisschen, morgen kannst du dann gehen. Wir können uns einen sicheren Ort für dich überlegen. Weg von mir, weg aus London.«
    Sie sagt nichts weiter, hat noch immer diesen grimmigen Ausdruck im Gesicht und die Augen fest auf Mia gerichtet. Sie dreht den Kinderwagen um und wir machen uns zusammen auf den Weg.

SARAH
    Er hilft uns in den Bus und wieder hinaus und dann gehen wir zusammen, Seite an Seite, ohne uns zu berühren. Das ist verrückt. Ich bin verrückt, mit ihm irgendwo hinzugehen. Aber was soll ich denn sonst machen? Wer sonst in dieser Stadt mit ihren elf Millionen Einwohnern würde mich aufnehmen?
    »Hier sind wir«, sagt er. »Sogar der Strom ist wieder da.«
    »Hier?«
    Er ist vor einem modernen Reihenhaus stehen geblieben. Drei Fenster sind erleuchtet, freundliche gelbe Rechtecke, eins unten, zwei oben. Das Haus ist winzig. Davor gibt es eine niedrige Mauer und ein Eisentor, von dem die Farbe blättert. Der Vorplatz ist vollgestellt mit Gartennippes, kleinen Zwergen aus Keramik, Windmühlen und sonstigem Blödsinn. Er sieht, wie ich schaue.
    »Meine Oma«, sagt er. »Sie hat einen Knall.«
    »Ach so.«
    Er öffnet das Tor und ich schiebe den Wagen über den Weg. Er drückt gegen die Haustür, doch sie ist zu, also holt er seinen Schlüssel heraus. Es gibt einen kurzen Moment, als er in der Tür steht und sich nach vorn beugt, um den Kinderwagen vorn anzuheben und über die Stufe zu heben, da denke ich wieder: Verdammt, was mach ich denn hier? Das ist doch der letzte Ort, wo wir sein sollten – und er der letzte Mensch, mit dem wir zusammen sein sollten. Er sieht zu mir runter, fasst nach dem Wagen, der Regen tropft an ihm herab und er lächelt. Und ich denke: Es ist in Ordnung, dass ich hier bin, und es ist in Ordnung, dass ich bei ihm bin. Nur für heute Nacht.

ADAM
    Wir schaffen den Kinderwagen ins Wohnzimmer. Mia schläft, die Arme über den Kopf gelegt.
    »Kann ich mal euer Badezimmer benutzen?«
    »Ja, klar, ist oben, gleich wenn du raufkommst. Ich geh davon aus, dass meine Oma schläft.«
    »Ah ja, verstehe.«
    Während sie weg ist, mache ich Tee und suche hektisch in den Schränken nach irgendwas, das ich ihr anbieten kann. Das Beste, was sich finden lässt, sind eine Packung Pop-Tarts zum Toasten und eine Dose Tomatensuppe.
    Sie kommt herunter und sieht besser aus als vorhin.
    »Meine Haare sind total im Arsch. Ein räudiger Igel ist nichts dagegen, kein schöner Anblick«, sagt sie. »Ich sollte sie am besten abschneiden.«
    »Du kannst ein Bad nehmen, wenn du willst, das Wasser ist heiß genug.«
    »Darf ich? Darf ich echt euer Bad benutzen? In dem besetzten Haus hatten wir kaum heißes Wasser.«
    Sie wirft einen Blick auf den Kinderwagen im Wohnzimmer.
    »Mia kommt schon klar«, sage ich. »Ich werd da sein, wenn sie aufwacht.« Nicht dass ich Ahnung von Babys habe, nicht die geringste.

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