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Den Tod vor Augen - Numbers 2

Den Tod vor Augen - Numbers 2

Titel: Den Tod vor Augen - Numbers 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Ward
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Leib trage. Sonst ist nichts mehr da. Als sie mir Mia nahmen, haben sie mir mein Leben genommen. Arschlöcher! Arschlöcher! Arschlöcher! Das Einzige, was ich im Kopf hab, ist sie, ihre Abwesenheit, wie meine Arme ihr Gewicht vermissen, wie meine Brüste heiß sind und voll mit Milch, die sie nie trinken wird. Hier zu sein, ohne sie dazusitzen, ist unerträglich. Ich will wieder losrennen, etwas tun, mich bewegen – aber ich kann nicht. Selbst im Sitzen zittern die Beine. Sie werden mich eine Weile nirgends mehr hintragen. Deshalb muss ich hierbleiben, allein mit meiner Verzweiflung.
    Unerträglich, absolut, allein.

ADAM
    Ich gehe nicht direkt nach Hause, obwohl ich es sollte. Ich sollte nach Hause gehen, meine Sachen packen und den ersten Bus nehmen, der London verlässt – mit oder ohne Oma. Aber etwas in meinem Hinterkopf sagt mir, dass ich nicht alles Nelson überlassen darf. Ich will versuchen, selbst etwas zu tun, zum Beispiel die Gherkin-Geschichte oder das an der Tower Bridge, also mach ich mich auf den Weg in die Stadt, zu einem letzten Versuch, die Menschen wach zu rütteln.
    Als ich wieder auf der Oxford Street lande, höre ich irgendwo in der Ferne so eine Art Singsang. Ich folge dem Geräusch. Eine Stimme dröhnt durch ein Megafon, getragen von der Menge. Zunächst verstehe ich nicht, was sie rufen, aber dann, als ich die Worte verstehe, merke ich, wo ich bin. Das hier muss der Grosvenor Square sein. Es ist die Demo, die wir gestern Abend im Fernsehen gesehen haben.
    »Kein Krieg, kein Krieg, kein Krieg.«
    Sogar in den Straßen hallt der Lärm von den Wänden der Häuser wider. Auf dem Platz ist er überwältigend. Alle paar Meter haben sich Uniformierte postiert. Ich drücke mich an ihnen vorbei in die Menge. Der Typ mit dem Megafon steht irgendwo vorn – ich kann ihn nicht sehen, doch ich höre ihn deutlich und plötzlich weiß ich, was ich zu tun habe. Ich muss zu ihm durchkommen und mir das Megafon schnappen. Die Frage, ob ich es schaffen kann, stellt sich mir gar nicht. Ich mache mich einfach auf.
    Es ist eine riesige Menge, aber die Stimmung ist fantastisch. Es sind Massen von jungen Leuten, einige Familien, sogar mit ganz kleinen Kindern, und ein paar Oldies, noch älter als Oma. Alle sind aus demselben Grund da. Es sind Menschen, die glauben, wenn man nur laut genug schreit, werden die Leute schon zuhören.
    Ich schiebe mich durch die Menge, komme näher ans Zentrum des Geschehens und schließlich entdecke ich ihn, den Mann mit dem Megafon. Er ist mittleren Alters, einer von diesen Typen, die ihr Haarproblem nicht wahrhaben wollen, oben ist es dünn, dafür hängt es ihm unten bis auf die Schultern. Ich schlängele mich zwischen Rücken, Hinterköpfen und Armen hindurch, bis ich direkt neben ihm stehe. Jetzt könnte ich mir das Megafon einfach schnappen, aber das ist Plan B. Erst mal probier ich Plan A.
    Ich tippe dem Typen auf die Schulter. Er schaut sich zu mir um, muss zweimal hinschauen, als er die Verbrennung sieht, dann nimmt er den Finger von dem Knopf am Megafon, um es abzuschalten.
    »Alles okay, Kumpel?«, fragt er.
    »Ja«, antworte ich. »Darf hier jeder was sagen?«
    Er weiß nicht so recht, was er antworten soll. Er mag keinen Krieg. Er mag keine Amerikaner. Er mag unsere Regierung nicht, aber er will die Kontrolle über sein Megafon.
    »Ich möchte so sein wie Sie, Mann«, sage ich. »Ich will die Welt verändern.«
    Auf seinem Gesicht breitet sich ein Lächeln aus.
    »Ja, klar doch. In Ordnung. Okay, junger Mann«, sagt er und streckt mir das Megafon entgegen. »Drück den roten Knopf und halt ihn unten, wenn du reinsprichst. Sei nicht schüchtern. Gib dem Ganzen ein bisschen Power. Ich stell dich kurz vor.«
    Er dreht sich von mir weg, hebt das Mundstück an sein Gesicht und drückt den roten Knopf.
    »Wir haben hier einen jungen Kämpfer für den Frieden. Heißt ihn willkommen. Hier ist …« Er bricht ab und beugt seinen Kopf zu mir runter.
    »Adam«, sage ich.
    »… Adam. Einen Applaus für Adam.«
    Die Menge kreischt wie verrückt. Die Leute haben keine Ahnung, wer ich bin, doch sie jubeln – es ist so ein Morgen und so eine Menge. Ich nehme das Megafon. Es ist schwerer, als ich gedacht habe, aber ich hole tief Luft, halt mir das Teil einen Moment vor den Mund, dann drück ich den Knopf.
    »Kein Krieg!«, schreie ich. »Kein Krieg!« Ich breche ab und die Menge brüllt im Sprechchor zurück. Ich mache das noch ein paar Mal, bis ich sie wirklich auf meiner Seite

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