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Den Tod vor Augen - Numbers 2

Den Tod vor Augen - Numbers 2

Titel: Den Tod vor Augen - Numbers 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Ward
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und ich denke schon: Ich hab’s geschafft. Jetzt können sie mir mein Baby nicht wegnehmen. Dann sagt die Frau: »Wir werden dafür sorgen, dass es weiter gestillt wird und es ihm gut geht. Es sind sehr erfahrene Pflegeeltern.«
    Und plötzlich begreife ich, als ob ich es nicht längst wüsste, was für eine grausame, kalte Welt das ist und mit was für grausamen, kalten Menschen ich es zu tun habe.
    Du glaubst, du kannst weglaufen, aber das ist unmöglich.
    Du glaubst, du kannst dein Leben ein bisschen selbst kontrollieren, aber es geht nicht.
    Am Ende kriegen sie dich.
    Der Wagen fährt mit konstantem Tempo. Ich sitze drin eingeklemmt, noch nicht mal neben einer Tür. Es ist unmöglich, an ein Entkommen überhaupt nur zu denken. Ich kann bloß dasitzen und mich an einen Ort fahren lassen, wo sie mir mein Baby wegnehmen werden.
    Wir biegen von der Hauptstraße ab und fahren eine Rampe hinunter in ein unterirdisches Parkhaus. Ich halte Mias Hand fest. Ein Teil von mir glaubt noch immer nicht, dass sie es tatsächlich tun werden. Doch ich irre mich.
    Wir werden aus dem Wagen geholt. Ich frage, ob ich Mia ein letztes Mal halten darf, und sie gestatten es. Sie nörgelt, nachdem sie aus dem Kindersitz gezogen wurde. Ich versuche, mit ihr zu reden. »Das ist nicht das Ende, Mia. Ich werde dich wiedersehen, schon bald. Das verspreche ich dir.« Aber sie hat die Augen geschlossen und sie schlägt den Kopf von einer Seite zur andern. Und meine Worte kommen sowieso nicht richtig heraus: Es sind piepsige, undeutliche, verheulte Worte. Alles ist völlig verkehrt. Jemand streckt die Hände aus und schiebt sie zwischen meine Arme und ihren Körper, dann wird sie mir weggenommen.
    Das Letzte, was ich sehe, ist, wie zwei Leute forteilen; der eine trägt den Kindersitz, die andere Mia. Der Polizist neben mir sagt: »Hier lang, bitte«, und legt mir seine Hand auf die Schulter, um mich herumzudrehen. Ich denke: Nimm deine dreckigen Finger von mir, aber es kommt nicht in Worten heraus. Es ist ein Schrei, ein Brüllen, und ich boxe ihn nicht, sondern hebe die Hand und ziehe ihm meine Nägel durchs Gesicht. Er schreit auf, mit hoher Stimme, entsetzt. Er hebt seine Hände an die fünf roten Striemen und ich fang an zu rennen.
    Über den Parkplatz, ein Motor springt an. Es ist der Wagen, mit dem sie Mia wegbringen. Ich renn auf ihn zu. Sie haben mich gesehen – die Reifen quietschen, als sie die Rampe hoch Gas geben. Oben ist ein Eisentor, sie müssen warten, bis es sich öffnet. Ich kann sie dort abfangen. Das Tor gleitet zur Seite. Ich bin fast da. Ich greife nach vorn, meine Finger streifen den Kofferraum, dann gehen die Bremslichter aus, der Wagen fährt los und weg ist er, reiht sich in den Verkehrsstrom auf der Edgware Road ein. Ich versuche ihnen zu folgen, verlier sie aber schon bald aus den Augen. Ich werd langsamer, bleibe stehen, beuge mich vor, die Hände auf den Schenkeln, versuche Atem zu holen.
    Ich schaue mich um und sehe ein halbes Dutzend Bullen aus der Polizeistation strömen. Ich schaue zu, fast unbeteiligt, dann sickert es in mein Bewusstsein, dass sie ja hinter mir her sind.
    Ich habe mehr als hundert Meter Vorsprung, aber sie holen schnell auf, und plötzlich wird der Gedanke, dass ihre Hände mich fassen, mich schnappen, mich stoßen, zu viel für mich. Wut tobt in meinen Adern, zusammen mit einem Adrenalin-Kick. Ich weiß nicht, wo ich hinwill, aber ich werde bestimmt nicht einfach hier stehen bleiben und warten, dass sie mich schnappen. Ich laufe los. Mein Mantel wird mir zu heiß, deshalb schüttle ich ihn ab, lass ihn fallen. Dann bin ich fort, Arme und Beine befreit, um sie auszustrecken, mit den Füßen auf den Gehweg zu hämmern, durch Pfützen zu spritzen. Ich renne in schmale Durchgänge und auf enge Übergänge, durchquere einen Parkplatz und laufe hinten um einen Pub rum. Ich schau nicht zurück, kein einziges Mal. Ich bleibe nur in Bewegung, setze einen Fuß vor den andern. Langsam beginnt ein Stechen in der Brust, es ist, als ob jeden Moment meine Lunge platzt, doch ich höre nicht auf zu rennen. Ich laufe über einen Markt, durch den Geruch von nassen Kohlblättern und brutzelnden Hamburgern, und schließlich finde ich einen Pfad, der hinab zum Kanal führt, ein tristes Stück graues Wasser. Ich schaue mich um, aber niemand ist hinter mir. Neben dem Pfad liegt ein Stapel Gleisschwellen. Ich hör auf zu rennen und lass mich auf ihnen nieder.
    Alles, was ich noch habe, sind die Sachen, die ich am

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