Den Tod vor Augen - Numbers 2
verschwindest.«
»Ich kann doch nicht ohne meine Eltern weggehen.«
»Dann bring sie auch aus der Stadt.«
»Das ist nicht so einfach …«
»Tu es, Nelson. Tu’s einfach.«
»Ja, mach ich. Ich bring sie raus.«
Ich drehe mich um und will gehen.
»Adam?«, fragt er. »Wieso bist du eigentlich gekommen?«
»Ich wollte dich was fragen.«
»Und was?«
Ich kann ihn doch jetzt nicht wegen der Infoschirme fragen. Er hat schon genug getan.
»Nichts. Ist nicht wichtig.«
»Es muss doch was gewesen sein.«
»Ja, aber es spielt keine Rolle jetzt.«
»Sag’s mir, Adam. Probleme habe ich sowieso schon. Wenn es was gibt, was ich tun kann, irgendwas, um es den Scheißkerlen heimzuzahlen …«
»Nelson!«
»Das sind Schweine, Adam. Sie haben meiner Mum Angst eingejagt. Das ist unterste Schublade. Das ist unmoralisch.«
»Ich hab nur gedacht … ich hab nur gedacht, wir könnten was mit den öffentlichen Info-Bildschirmen machen. Uns reinhacken oder so.«
Er lächelt.
»Klar. Klar könnten wir.«
»Nur nicht ohne Computer.«
»Computer gibt es überall, Adam. Es gibt sogar welche außerhalb von London. Heißt es jedenfalls …«
»Du musst aber nicht … du hast schon genug getan. Pass auf dich auf. Auf dich und deine Familie.«
»Ich muss nicht, aber ich will. Sie haben vor, Tausende Menschen sterben zu lassen, Adam. Das ist doch nicht richtig …«
»Sei vorsichtig, Kumpel.«
Ich mache eine Faust und streck sie ihm entgegen. Er sieht sie ein paar Sekunden an, dann räuspert er sich und tut dasselbe. Unsere Knöchel berühren sich. Ich überleg, ob er das schon jemals gemacht hat. Und ich frage mich, ob er es je wieder tun wird.
»Tschüss, Nelson«, sag ich.
Ich hör, wie die Tür hinter mir zufällt. Ich bin eigentlich nicht so der Typ fürs Beten, aber als ich draußen bin, schick ich ein Gebet in den Hof und in den grauen Himmel. Mach, dass er rauskommt. Mach, dass es ihm gut gehen wird. Und womöglich klappt’s ja, denn er mag vielleicht still sein und er mag auch dämlich sein, aber ich geh davon aus, dass Nelson mehr Mut in den Knochen hat als andere Scheiße im Arsch.
SARAH
Ich bin erst ein paar Minuten von Adams Zuhause entfernt, als sie mich schnappen.
Die Geschwindigkeit, mit der es passiert, ist erschreckend. Gerade noch schiebe ich den Kinderwagen über den Gehweg, da hält ein Auto neben mir und ich werde auf den Rücksitz geworfen, während jemand Mia aus dem Wagen löst und danach in einem Babysitz neben mir festschnallt, dann steigen rechts und links von uns Leute ein, Türen werden zugeschlagen und verriegelt und ab geht’s.
Der Kinderwagen und unsere Tüten bleiben zurück.
»Verdammt, was machen Sie? Wer sind Sie?«
Der Mann neben mir klappt eine Brieftasche auf und hält mir kurz seinen Ausweis vor die Nase.
»Kinderfürsorge. Viv hier ist von der Polizei. Familienbetreuung.«
»Und wieso haben Sie mich, verflucht noch mal, einfach so gekidnappt? In was für einem Land leben wir eigentlich?«
Die Frau auf Mias Seite mischt sich ein. »Wir mussten zu dir kommen, weil du vor uns weggelaufen bist. Du warst nicht in der Giles Street. Niemand dort wusste, wohin du verschwunden warst.«
»Sie können Mias Chip ausfindig machen. Das haben Sie schon mal gemacht. Es gibt also keine Notwendigkeit für das Ganze hier.«
»Doch, die gibt es. Wir haben deine Mitbewohner wegen Drogenbesitzes und der Absicht, Drogen zu verkaufen, verhaftet. Die letzte Nacht hast du bei der Witwe eines der berüchtigtsten Verbrecher von ganz West-London und ihrem Urenkel verbracht. Der ist zurzeit wegen eines brutalen, äußerst gewalttätigen Übergriffs vom Unterricht suspendiert und wird im Zuge der Ermittlungen in einem Mordfall verhört. Und wer weiß, wo du als Nächstes hinwolltest?«
Es klingt nicht so super, wenn sie es auf diese Weise formuliert.
»Wo fahren wir jetzt hin?«
»Wir fahren zur Polizeiwache Paddington Green, wo wir dich zu deiner Rolle in der Giles Street befragen werden. Louise wird zu Pflegeeltern gebracht. Wir haben schon jemanden, der sich um sie kümmert.«
»Sie wollen sie mir wegnehmen? Wegnehmen? Nein! Niemals. Ich komme mit auf die Polizeiwache. Ich beantworte Ihre Fragen – ich habe nichts zu verbergen. Aber ich lasse nicht zu, dass Sie mir mein Baby wegnehmen.«
»Das ist nicht deine Entscheidung, Sally. Wir haben einen Gerichtsbeschluss. Dein Kind gehört in ein sicheres, stabiles Umfeld.«
»Ich stille noch«, sage ich. Auf einmal herrscht Schweigen
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