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Den Tod vor Augen - Numbers 2

Den Tod vor Augen - Numbers 2

Titel: Den Tod vor Augen - Numbers 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Ward
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habe. Glatzköpfchen schlägt mir auf den Rücken, dann streckt er die Hand nach dem Megafon aus, doch ich bin noch nicht fertig. Ich habe ja gerade erst angefangen.
    »Niemand will diesen Krieg«, brülle ich. Der Sound donnert hinaus über den Platz und es ist großartig. »Niemand will diesen Krieg, aber in drei Tagen wird London dem Erdboden gleich sein. Die ganze Stadt wird zerstört werden.« Die Menge ist jetzt stiller geworden, es sind sogar ein paar Buhrufe zu hören. »Der Erdstoß gestern war nur der Anfang. Es wird noch viel schlimmer werden. Viel, viel schlimmer. Wir müssen raus aus London. Wir müssen bis Neujahr raus aus der Stadt.«
    Es sind jetzt mehr Buhrufe zu hören.
    »Bringt euch in Sicherheit. Bringt eure Familien in Sicherheit. Verlasst London. Geht noch heute. Geht jetzt.«
    Rings um mich herum versuchen die Leute, mich mundtot zu schreien.
    »Nein!«
    »Verpiss dich!«
    »Kein Krieg!«
    Glatzköpfchen versucht mir das Megafon wegzunehmen, aber ich halte es fest.
    »Es werden Menschen sterben. Rettet euch. Rettet eure Familien. Verlasst die Stadt.«
    Andere Leute drängen mich jetzt ab. Jemand reißt mir das Megafon aus den Fingern und ich schlage zu. Sie umzingeln mich, deshalb weiß ich nicht, wen ich treffe, doch sie schlagen genauso heftig zurück, wie sie einstecken. Füße und Hände fliegen mir entgegen. Ich reiße die Arme nach oben vor mein Gesicht, aber das gibt meinen Körper frei. Jemand schlägt mir voll in den Magen. Die Luft weicht aus der Lunge und ich sacke nach vorn.
    Gewalt dringt jetzt durch die Menge. Leute drängen vor, um zu mir zu kommen, werden jedoch wieder zurückgeschlagen. Panik liegt in der Luft. Ich versuche auf den Beinen zu bleiben. Ich muss raus hier, senke den Kopf und stürme zwischen den Leuten hindurch. Es ist schwierig, weil wir so dicht an dicht stehen, und die Leute greifen nach mir, doch nach ein paar Minuten hab ich es bis zum Rand geschafft.
    Vor mir taucht eine Reihe polierter Stiefel auf. Ich richte mich leicht empor und schaue nach oben – in eine Mauer aus Einsatzschilden.
    »Lassen Sie mich durch!«, brülle ich. »Lassen Sie mich durch! Lassen Sie mich durch!«
    Ich trete vor und hämmere mit der Faust gegen einen der Schutzschilde. Der Schild daneben kommt auf mich zu. Wunderbar, eine Lücke. Ich werde rauskommen. Ein Schlagstock kracht auf meine Schulter nieder. Ein Schlag und ich liege am Boden. Sie schlagen nicht noch mal nach – das müssen sie gar nicht. Der Typ tritt zurück und die Mauer ist wieder dicht. Mein Gesicht schrammt über den Beton. Für ein paar Sekunden weiß ich nicht, was geschieht, wo ich bin, ob ich lebe oder sterbe. Ich sollte mich rühren, auf die Beine kommen, aber daran ist gar nicht zu denken. Ich weiß noch nicht mal, wo oben ist.
    Die Leute hinter mir, die, die mich gehauen und getreten haben, haben inzwischen eine andere Tonart angeschlagen. Sie schreien sich die Lunge aus dem Leib, brüllen und wüten gegen die Polizei.
    »Bürgerrechte!«
    »Brutale Polizeigewalt!«
    »Faschisten! Fotografiert sie! Merkt euch die Nummern!«
    Überall um mich herum sind jetzt erneut Hände, aber keine mehr, die an mir herumzerren, mich schnappen wollen, wie vorher, sondern welche, die mich halten, mich stützen, mich beruhigen.
    »Alles okay, Kumpel? Kannst du mich verstehen?«
    Ich öffne langsam die Augen. Mindestens ein halbes Dutzend Kameralinsen sind auf mich gerichtet, dahinter ein Meer von Gesichtern, ein Wirrwarr von Zahlen.
    »Wir haben alles aufgezeichnet, Kumpel. Damit kommen sie nicht durch. Wie heißt du? Wie alt bist du? Wir bringen es in die Mittagsnachrichten.«
    »Der 1. Januar«, sage ich und schaue direkt in die nächstbeste Kamera. »Verlasst London. Am Neujahrstag fliegt das Ganze hier in die Luft.«
    Leute versuchen mich zum Schweigen zu bringen. Es ist nicht das, was sie hören wollen, doch ich mach weiter.
    »London ist in Gefahr. Gestern, das war nur der Anfang. Es wird viel schlimmer kommen. Zehnmal schlimmer. Hundertmal schlimmer. Es werden hier Menschen sterben. Verlasst die Stadt. Verlasst London.«
    Die Kameras sind auf mich gerichtet, als mir auf die Beine geholfen wird. Leute bombardieren mich mit Fragen. Wer hat dich geschlagen? Wie oft? Ich antworte nicht, ich bleibe bei meinem Text. Blut tropft mir vom Gesicht in den Mund, doch ich höre nicht auf. Das ist meine Chance. Das ist mein Moment. Ich sende meine Botschaft an die Nation. Bete zu Gott, dass die Nation zuhören möge.
    Sie

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