Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Den Toten dienen

Den Toten dienen

Titel: Den Toten dienen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Delrio
Vom Netzwerk:
gewählt hatte - sowie eine Zuschauermenge. Sie fragte sich kurz, ob wohl irgendein Tech die Überwachungskameras des Raumes zu einer Liveübertragung in den Rest der Station verkabelt hatte, entschied dann aber, dass es wirklich keine Rolle spielte.
    »Ich bin bereit«, erklärte sie und trat in die Mitte des Kreises unter die Leuchtstoffröhren. Aus dem Augenwinkel sah sie Ian nicht weit entfernt mit seiner Medikamententasche stehen. »Und du?«
    »Ich auch«, erwiderte Dorn und betrat den Kreis. »Für die Ehre der Wölfe und um unseren Konflikt zu entscheiden: Stellen wir also fest, wer von uns beiden der Anführer ist.«
    »Das weiß ich schon«, stellte Anastasia fest und gestattete sich, in seine Reichweite zu driften. Damit hoffte sie, ihn zum ersten Schlag zu verleiten. Falls er darauf hereinfiel und sie den Schlag abblocken oder ihm ausweichen konnte, hatte sie die Chance zu einem schnellen Gegenschlag, und der Test würde vorbei sein, noch bevor er richtig begonnen hatte.
    Aber das ist Dorn, überlegte Anastasia, und ging in Gedanken die Stärken und Schwächen ihres Gegenübers durch, während sie die Anfangsphase des Duells den gestählten Reflexen ihres durchtrainierten Körpers überließ. Ein guter Kämpfer, aber nicht allzu helle. Und ohne Ehrgeiz - zumindest ohne einen Ehrgeiz dieser Art.
    Dorn griff mit einem Sicheltritt ihre rechte Flanke an. Sie blockte ab, aber das Blockmanöver ging ins Leere. Er war bereits wieder in Abwehrhaltung.
    Dorn ist der beste Nahkämpfer von allen Sterncolonels, dachte sie. Was bedeutet, dass er zu diesem Test aufgestachelt wurde, und zwar von...
    Diesmal war es kein Tritt, sondern auf ihren Hals zielende Hiebe mit den gestreckten Fingern. Anastasia lehnte sich außer Reichweite zurück und riss gleichzeitig einen Fuß hoch, sodass die verstärkte Spitze ihres Trainingsschuhs einen von Dorns Ellbogen streifte.
    Der Treffer war nicht hart genug, um ihn zu verletzen. Stattdessen packte er ihren Knöchel mit beiden Händen, zog ihn hoch und drehte ihn, sodass sie auf dem Rücken landete. Wäre sie auf diese Taktik nicht vorbereitet gewesen, so hätte der Aufschlag sie benommen gemacht. Sie schlug mit den Armen auf den Boden, um einen Teil der Wucht abzufangen, und rollte zurück auf die Beine, um einen Wirbelwind aus Handkantenschlägen auf Dorns Kinn und Rippen abzufeuern.
    Dorn wehrte den Angriff mühelos ab und lachte.
    Irgendjemand, überlegte Anastasia, führte ihn an der Leine. Jemand hatte ihm Unterstützung versprochen.
    »Wer auch immer dir das eingeredet hat, er plant, dich umzubringen, sobald du mich aus dem Weg geräumt hast«, erklärte sie leise, so leise, dass nur Dorn es hörte. »Er hat dir nicht seinen ganzen Plan verraten.«
    Dorns Miene wurde härter. Sie hatte offenbar ins Schwarze getroffen. Sie streckte die linke Hand aus, packte sein Handgelenk und nutzte die Hebelwirkung, um sich herumzuziehen. Aber Dorn war schnell. Er pflanzte die Rechte auf ihre linke Hand, presste sie auf seinen Arm und drehte sich, zog sie mit. Ein schneller Hieb mit dem Ellbogen in die Körpermitte ließ sie aufkeuchen. Bevor er wieder zuschlagen konnte, drückte sie sich aufwärts und senkte den Kopf unter seinen Arm. Das zwang ihn, loszulassen oder einen gebrochenen Ellbogen zu riskieren.
    Er ließ los, versetzte ihr dabei aber einen Tritt in die rechte Wade, die sich sofort verkrampfte. Er war größer als sie und stärker. Und ebenso gut trainiert.
    »Wer war es?«, fragte sie. »Gib mir ihre Namen, und ich werde gnädig mit dir sein.«
    Wieder lachte Dorn. »Wohl kaum.«
    »Du willst es nicht anders.«
    Anastasia packte die Enden des Schals, den sie als Oberteil trug, und zog den Knoten auf. Sie riss sich den Schal vom Körper und drehte den roten Stoff zu einem ein Meter langen Seidenstrick, den sie mit beiden Händen festhielt. Dann nahm sie beide Enden der Schlinge in die Rechte.
    Durch diesen Schachzug war sie jetzt von der Hüfte aufwärts nackt. Der Anblick nackter Frauenbrüste konnte ihren Gegner allerdings kaum verwirren. Scham und Prüderie gehörten nicht zu den Schwächen der Clans. Mangelnde Fantasie und verknöchertes Festhalten an Traditionen andererseits... Anastasia schmunzelte. ClanKrieger konnten stundenlang diskutieren, ob ein abgelegtes Kleidungs-stück für die Zwecke eines unbewaffneten Zweikampfes als Waffe galt. Aber kaum einer von ihnen würde auf die Idee kommen, irgendwer könnte diesen Gedanken auch in die Tat umsetzen.
    Dorn hatte sich von

Weitere Kostenlose Bücher