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Den Toten dienen

Den Toten dienen

Titel: Den Toten dienen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Delrio
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geschrieben hatte - und holte einen prall gefüllten Umschlag hervor. Er schüttete den Inhalt auf die Eben-holz-und-Perlmutt-Einlegearbeit der Tischplatte vor ihnen: Papiere, Bilder, Briefe und ein zerschlissenes Taschenbuch mit einem Stück Papier als Lesezeichen.
    »Das sind natürlich alles nur Kopien. Die Originale befinden sich an einem sicheren Ort.«
    »Versteht sich«, nickte Levin.
    Schon gut, ich habe begriffen, dachte Tara. Jacob Bannson hätte eine Kopie der Datendisk auf seinem privaten Landungsschiff mitgebracht, statt eine dem armen Commander Jones zu übergeben und die andere sicher im Fort auf Northwind zu lassen. Und Paladin Levin hätte sie persönlich von Northwind nach Terra gebracht.
    Sie schluckte ihren Ärger hinunter und machte sich gemeinsam mit Levin daran, zu sichten, was Bannson ihnen präsentiert hatte. Innerhalb von Minuten war ihr Bewusstsein, die jüngste und unerfahrenste Person im Raum zu sein, völlig verblasst, verdrängt von tiefem Entsetzen.
    »Das ist...«
    Sie unterbrach sich. Sie fand keine Worte. Selbst der Schmerz über Ezekiel Crows ersten Verrat auf Northwind war nicht so schlimm gewesen. Dies hier waren Beweise nicht eines einzelnen Verrats, sondern eines ganzen Lebens und einer ganzen öffentlichen Laufbahn, die auf dem schlimmsten denkbaren Verrat aufbauten.
    »Widerlich«, vervollständigte Levin. »Falls diese Beweise echt sind.«
    »Oh, die sind echt«, beruhigte ihn Bannson. »Crow hat es erstklassig vertuscht, aber sobald man ein Ende des Fadens gefunden hat« - er deutete auf das Taschenbuch, die Kriegsmemoiren eines capella-nischen Schriftstellers, der in jungen Jahren Geheimdienstoffizier der Konföderation Capeila gewesen war, mit dem Hinweis auf einen jungen Mann na-mens Daniel Peterson, der seine Heimatwelt Liao an die Capellaner verraten hatte -, »fällt es nicht weiter schwer, für alles andere eine unabhängige Bestätigung zu finden. Ganz gleich, was Sie sich heraussuchen, es ist verifizierbar.«
    »Ich schätze, es gibt noch jemanden, der es herausgefunden hat«, sagte Tara. »Ich kann mir keinen anderen Grund als Erpressung vorstellen, warum er nach all der Zeit jetzt erneut zum Verräter werden sollte. Bei allem, was er heute zu verlieren hat.«
    Bannson zuckte die Achseln. »Was soll ich sagen? Wenn die Information einmal da ist, ist sie da. Er hat wahrscheinlich niemals damit gerechnet, dass dieser Knabe seine Kriegserlebnisse erzählt.«
    »Und ich hätte niemals erwartet, all das zu sehen«, stellte sie fest. »Was haben Sie davon, Mister Bannson?«
    »Ich werde ehrlich zu Ihnen sein. Ezekiel Crow steht meinen Geschäftsinteressen schon lange im Weg, und als ich Gerüchte darüber hörte, was er auf Northwind getan hat, kam ich zu dem Schluss, dass wir beide ein gemeinsames Problem haben. Zumindest im Augenblick. Nur damit wir uns recht verstehen, ich rede hier nicht über irgendwelche längerfristigen Allianzen.«
    »Ich denke, das ist uns allen klar«, erwiderte Jonah Levin. Er griff in seine Jackentasche und zog eine Datendisk hervor. Also hat sein Mann, Horn, sie tatsächlich gefunden, dachte Tara. Er hat sich reichlich Zeit gelassen, mir davon zu berichten. »Im Interesse gegenseitiger Inf ormation... Ich nehme an, hier gibt es irgendwo ein Abspielgerät?«
    »Im Schrank, genau wie den Trividschirm«, antwortete Tara in Gedanken, bevor Bannson es konnte.
    Der sagte nichts, sondern nahm Levin nur die Disk aus der Hand und spielte sie ab. Einen Augenblick stieg in Tara panische Angst auf, ihr Pech könnte sie eingeholt haben und die Disk würde nur Musik oder Kinderfilme enthalten, aber es waren die Northwind-Daten, mit allen Informationen, genau so, wie sie Owain Jones nach Terra gebracht hatte. Als es vorbei war, grinste Jacob Bannson wie ein Honigkuchenpferd.
    »O ja.« Für einen Augenblick verlor seine Stimme all die teure Fassade und war pures St. Andre. »Das und dazu das alte Zeug, und der Knabe ist Toast.«
    Tara drehte sich zu Levin um. »Wann, glauben Sie, sollten wir es dem Exarchen zeigen?«
    »Gar nicht«, antwortete Bannson sofort. »Sie geben es ans Trivid und überlassen das Ausschlachten den Medien. Danach spielt es überhaupt keine Rolle mehr, was der Exarch denkt. Crow ist erledigt.«
    »Paladin Levin?«, fragte Tara noch einmal.
    Jonah Levin betrachtete nachdenklich das letzte Standbild der Datendisk: die beiden abgekämpften jungen Soldaten, die an der Straßensperre auf Northwind gestanden hatten.
    »Geben Sie die

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