Den Toten dienen
Schnauzbart. Der heutige Portier musste derselbe sein wie damals - nicht einmal in Genf konnte es zwei solche Schnauzbarte geben -, nur war er jetzt viel kleiner.
Tara unterdrückte ein unerklärliches Gefühl der Enttäuschung. Ihr war klar, dass die Kapitänin neben ihr sich nach Kräften anstrengte, sich ihr Staunen nicht anmerken zu lassen. Ihre Adjutantin würde es vermutlich nicht aufmuntern, wenn sie hörte, dass die Countess of Northwind stehen geblieben war, um den Verlust eines weiteren Teils ihrer Kindheit zu betrauern.
»Countess!« Der Portier strahlte sie an. »Welch eine Ehre, Sie wieder hier begrüßen zu dürfen! Bleiben Sie lange?«
»Tut mir Leid, Emil. Ich bin nur zu einer Konferenz hier. Ich wohne in Belgorod, beim Rest der Northwind Highlanders.« Sie sah seine traurige Miene und konnte nicht anders: »Aber falls es spät wird, kann es sein, dass meine Adjutantin und ich hier übernachten.«
»Es wäre uns eine Freude, Countess«, versicherte ihr Emil. »Leider ist die übliche Suite Ihrer Frau Mutter derzeit belegt.«
»Das ist schon in Ordnung. Falls wir bleiben, nehmen wir, was immer Sie uns zur Verfügung stellen. Aber wenn Sie jetzt erst einmal Mister Bannson informieren könnten, dass ich auf dem Weg bin...«
»Selbstverständlich.« Emil verschwand.
Kapitänin Bishop murmelte: »Falls Sie mir die Frage gestatten, Ma'am: Welches war die übliche Suite Ihrer Frau Mutter?«
Tara fühlte, wie sie rot wurde, und war dankbar für die schummrige Beleuchtung des Hotelfoyers. »Das Penthouse«, gab sie zu. »Kapitänin, so wie es aussieht, könnte das, was hier vorgeht, auch für mich sehr gut eine Nummer zu groß sein, geschweige denn für Sie. Aber ich stecke schon mittendrin - und Sie nicht. Nehmen Sie in der Hotelbar einen Drink, und ersparen Sie sich, mitschuldig zu werden. Falls ich Sie brauche, lasse ich Sie rufen.«
Sie machte sich auf den Weg zur Penthousesuite, wo Jacob Bannson auf sie wartete. Der Konzernboss erhob sich von der Couch, um sie zu begrüßen. Sie hatte sein Bild schon oft genug in Magazinen und im Trivid gesehen, aber dies war ihre erste echte Begegnung. Sie hatte ihn für größer gehalten - eine weitere Enttäuschung, wie der bedauernswert geschrumpfte Emil.
»Willkommen, Countess. Wir haben viel zu bereden, also lassen Sie uns keine Zeit verlieren.«
»Noch nicht.« Sie setzte sich in den Sessel neben der Couch. Früher war er einmal groß genug gewesen, um ihr jüngeres Ich und ihren Vater gleichzeitig aufzunehmen, aber wie alles andere war auch er jetzt kleiner. »Es gibt noch eine dritte Partei, die ich in dieses Gespräch einbeziehen möchte. Nicht die Person, von der wir gesprochen haben, sondern jemand anders.«
Bannsons Miene verhärtete sich. »Sagen Sie mir den Namen. Falls ich ihn oder sie nicht mag, ist das Geschäft geplatzt.«
Tara erinnerte sich, dass hinter der Fassade des neureichen Stutzers ein skrupelloser Geschäftsmann und knallharter Verhandlungspartner steckte, von dem man sich erzählte, dass ihm nicht nur symbolisch Blut an den Händen klebte. »In Ordnung. Es ist Paladin Jonah Levin.«
Sie wartete einige Sekunden lang, während Bannson mit seinem rotblonden Vollbart spielte, die Augen halb geschlossen, und nachdachte. Endlich verkündete er: »Einverstanden. Levin ist nicht gerade mein Favorit, aber er ist ehrlich. Besser noch, die ganze Republik weiß, dass er ehrlich ist. Diese Sache kann jemanden wie ihn gebrauchen.«
Tara erwiderte leicht verschnupft: »Bin ich Ihnen nicht ehrlich genug?«
»Countess, Sie haben Probleme, sonst wären Sie jetzt nicht hier.«
Ihr fiel so schnell kein Gegenargument ein, und ein Klopfen an der Penthousetür ersparte ihr die Suche danach. Bannson trat zur Tür und ließ Jonah Levin ein. Der Paladin setzte sich in den zweiten Sessel des Zimmers, sodass Bannson die Couch blieb.
»Wie ich sehe, Mister Horn hat Sie rechtzeitig gefunden«, begrüßte Tara Levin.
»Er hätte mich zu keinem besseren Zeitpunkt finden können.«
Levin erläuterte diese Bemerkung nicht näher, aber Tara hatte den Eindruck, dass sich der Paladin über etwas amüsierte, auch wenn er sich so ernst wie immer gab.
»Mister Bannson«, fuhr er fort, »man hat mir zu verstehen gegeben, dass Sie Informationen besitzen, die Sie teilen möchten.«
»So ist es.«
Bannson ging hinüber zu dem antiken Sekretär in einer Ecke des Raumes - Tara erinnerte sich, dass ihre Mutter Jahre zuvor genau an diesem Möbel ihre Reden
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