Den Toten dienen
Informationen dem Exarchen«, sagte er. »Es muss eine förmliche Untersuchung geben. Aber erst geben Sie eine Kopie an die Medien.«
Hotel >Duquesne<, Genf, Terra Präfektur X, Republik der Sphäre
April 3134, Frühling
Kapitänin Tara Bishop folgte dem Vorschlag der Countess of Northwind und suchte sich einen Platz in der Hotelbar, von dem aus sie das Foyer im Auge behalten konnte, während sie wartete. Eine weitere packende Episode im aufregenden Leben einer Präfektsadjutantin, dachte sie. Was hab ich ein Glück.
Unter diesen Umständen fiel ihr unvermeidlich der Oberst ein, unter dem sie auf Addicks gedient hatte. Das schien inzwischen ferne Vergangenheit zu sein, obwohl es noch kein ganzes Jahr her war. Damals hatte sie sich nur um gelegentliche Scharmützel zwischen den Highlanders und Des Drachen Zorn Gedanken machen müssen und nicht über die Stahlwölfe und das Schicksal Terras. Sie hatte das Soldatenleben draußen im Feld nicht aufgeben wollen, um als Tara Campbells Adjutantin zu arbeiten, und ihr Oberst hatte ihr eine väterlich strenge Standpauke über die richtige Pflege und Aufzucht einer Karriere halten müssen.
Viel versprechende junge Offiziere, hatte er gesagt, womit er offenbar sie meinte - sollten auf ihre Vorgesetzten hören und gehen, wohin sie versetzt wurden, besonders, wenn ihnen die neue Aufgabe eine Chance versprach, wertvolle Erfahrungen zu sammeln und nützliche politische Beziehungen zu knüpfen.
»Wenn Sie ganz nach oben wollen«, hatte er geschlossen, »müssen Sie erst einmal wissen, wie es da oben so ist.«
Bis jetzt, überlegte sie, war das erste Adjektiv, das sich anbot, >teuer<. Die auf dem Regal hinter der Bar aufgereihten Flaschen enthielten mindestens einen kompletten Zug echter terranischer Whiskeys, die meisten waren alt genug, um in der Republik unter Waffen zu stehen, und ein gutes halbes Dutzend mochte älter sein als sie selbst. Sie holte eine Zwan-zig-Stone-Note heraus und legte sie auf den Tresen. Der Barmann kam herüber.
»Ich nehme einen Glen Grant«, bestellte sie.
»Den Fünfundzwanzig- oder den Fünfzigjährigen?«
Zur Hölle, dachte sie. So schnell krieg ich so eine Gelegenheit nicht mehr. »Fünfzig.«
Die zwanzig Stone verschwanden, und ein paar Minuten später kehrte der Barmann mit Bierdeckel, einem Kristallglas voll bernsteingoldenem Whisky und einer Hand voll kleiner Münzen zurück.
Teuer war gar kein Ausdruck, dachte sie. Sie nahm einen vorsichtigen Schluck. Aber den Preis wert.
Sie machte es sich bequem und nahm sich vor, sich an dem Glen Grant festzuhalten, bis die Countess ihre Besprechung im Penthouse beendete. Um diese späte Uhrzeit mitten in der Woche befand sich außer ihr nur noch ein anderer Gast in der Bar, ein unauffälliger Mann in einem unauffälligen Anzug, der ebenso wenig Interesse an einer Unterhaltung zu haben schien wie sie - und der wie sie das Foyer beobachtete, während er trank.
Beliebte Freizeitbeschäftigung hier, dachte sie. Tatsächlich lag die Bar perfekt, um das Kommen und Gehen der Hotelgäste zu überwachen. Tara fragte sich, ob der Architekt des >Duquesne< das bewusst so arrangiert hatte, für die Bequemlichkeit von Spionen, Adjutanten und Hilfspersonal generell.
Das hier ist Genf, erinnerte sie sich. Hier ist alles möglich.
Auch wenn Foyergucken die Hauptattraktion der Bar zu sein schien, war das Management offenbar bereit, zumindest die Existenz traditionellerer Ablenkungen zuzugestehen. Hinter dem Tresen stand ein diskretes Trivid, unter die Flaschenregale geklemmt und so klein, dass die Gestalten auf dem Schirm wie Miniaturen in einem Puppenhaus wirkten.
Wie üblich ärgerte sich Kapitänin Bishop darüber. Es war schlimm genug, Unterhaltungskünstler auf Daumengröße geschrumpft zu sehen, aber bei Nachrichten war es noch schlimmer. Irgendetwas in Bishops Geist verweigerte sich der Idee, echte Menschen und ihre echten Schmerzen und Freuden, Schmutz und Leid zu buntem Spielzeug schrumpfen zu lassen.
Da wäre mir ein 2D-Videowand noch lieber, grum-melte sie. Falls die überhaupt noch jemand herstellt.
Auf geradezu perverse Weise drängte sich der Tri-vidschirm durch diese Verärgerung noch heftiger in ihr Bewusstsein. Es war auch noch ein Nachrichtenkanal. Wintersportergebnisse, Eishockey und Curling. Ich wusste gar nicht, dass man das auch hier spielt. Ich habe immer geglaubt, das hätten wir auf Northwind erfunden. Und das Wetter: Erwärmung in Westeuropa, Unwetter über der Nordsee, mögliches
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