Denen man nicht vergibt
gerne starken Tee«, erklärte sie, zog aber trotzdem den Teebeutel heraus und warf ihn in den offenen Mülleimer. »Ist schwer, richtig starken Tee zu kriegen, wenn man ihn nicht selber macht.«
»Sie wissen ja, dass ich Vater Michael Josephs Bruder bin. Aber was Ihnen, glaube ich, bisher noch niemand gesagt hat, ist, dass ich außerdem vom FBI bin.«
Ihr fiel die Tasse aus der Hand. Alles wurde mit heißem Tee bespritzt, sie selbst, er und die Erdnüsse aus Virginia.
»O nein, jetzt sehen Sie nur, was ich angerichtet habe. O nein.« Hektisch griff sie sich ein paar Papierhandtücher und wischte zuerst an ihm herum, um dann in die Hocke zu gehen und die Pfütze vom Boden aufzutupfen. »Bitte entschuldigen Sie.«
»Keine Ursache«, sagte er, riss selbst noch ein paar mehr aus dem Halter und machte sich ebenfalls am Boden zu schaffen. »Schon gut, Nick. Ich muss mich entschuldigen.«
»Es war nicht Ihre Schuld«, sagte sie und starrte das jetzt tropfnasse Papierhandtuch an.
»He«, sagte ein Inspektor und streckte den Kopf in die Küche, »wo ist denn der letzte Donut geblieben?«
Dane musste lachen, er konnte nicht anders. Sie lachte nicht.
»Ich bedaure«, sagte Lieutenant Purcell, die ihm Türrahmen ihres Büros stand. »Aber solange keine unmittelbare Gefahr besteht, kann ich eine sichere Unterbringung nicht bewilligen. Sie wissen ja, wie knapp unser Budget ist, Delion. Tut mir Leid, aber die Frau muss selbst sehen, wie sie zurechtkommt.«
Dane fragte sich, ob es daran lag, dass besagte Frau obdachlos und somit weniger wert war als ein aufrechter Steuerzahler mit einem festen Arbeitsplatz. Er sagte nichts. Er hatte sowieso gewusst, wie die Antwort lauten, und auch, was er dann tun würde.
Er hatte Nick Jones keine Sekunde aus den Augen gelassen. Sie sah wirklich aus, als wolle sie jeden Moment ausreißen. Nachdem er den Urteilsspruch gehört hatte, kehrte er zu der kleinen Küche zurück. Sie war immer noch am Aufwischen. »Genug jetzt«, sagte er, nahm sie beim Arm und führte sie zu Delions Schreibtisch. Delion war noch im Büro des Lieutenants. Dane konnte durch die Glasscheibe sehen, wie er gestikulierend auf sie einredete. Dane drückte Nick auf einen Stuhl und ging vor ihr in die Hocke. »Also gut, jetzt erzählen Sie mir bitte, wieso Sie so einen Schreck gekriegt haben, als Sie hörten, dass ich vom FBI bin.«
»Ich war einfach nur überrascht. Ihr Bruder war Priester. Sie stehen auf der anderen Seite.«
Sie hatte Zeit gehabt, sich eine Antwort zu überlegen, und gar nicht einmal eine schlechte.
»Das stimmt. Wie heißen Sie wirklich, Nick?«
»Ich heiße Nick Jones. Schauen Sie nur ins Telefonbuch, und Sie werden’s sehen. Jede Menge Jones, mehr als Carvers jedenfalls.«
»Wie lange sind Sie schon in San Francisco?«
»Nicht allzu lange.«
»Zwei, drei Wochen?«
»Ja, ungefähr. Zweieinhalb Wochen.«
»Und woher kommen Sie?«
Sie zuckte nur mit den Schultern. »Mal hier, mal dort. Ich bin viel unterwegs. Aber im Winter ist es besser, sich in den südlicheren Regionen aufzuhalten, wo’s nicht ganz so kalt ist.«
»Wie alt sind Sie?«
»Achtundzwanzig.«
»Wo sind Sie zur Schule gegangen?«
Darauf sagte sie nichts, sondern starrte nur auf ihre trockenen, rauen Hände mit den rissigen Fingernägeln. Dane setzte sich auf den anderen Stuhl und verschränkte die Arme vor der breiten Brust. Schließlich sagte sie: »Wir hatten eine Abmachung. Keine Fragen über mich. Haben Sie das kapiert, Agent Carver? Keine Fragen, oder ich gehe. Und da ich denke, dass Sie mich brauchen, sollten Sie sich besser daran halten, verstanden?«
»Zu schade, dass Sie so denken«, bemerkte Dane. »Ich habe das FBI im Rücken, und Sie kannten meinen Bruder. Wenn Sie in Schwierigkeiten stecken, kann ich Ihnen helfen.«
Da hob sie den Kopf. Sie schien völlig verkrampft zu sein, aber genau konnte er das nicht sagen, bei all den Pulloverschichten. Sie sagte: »Sie haben die Wahl, Agent Carver.«
»Also gut.«
»Sie müssen diesen Mann finden, der Vater Michael Joseph ermordet hat. Habt ihr hier in Kalifornien eigentlich die Todesstrafe?«
»Ja.«
»Gut. Er verdient den Tod. Ich mochte Vater Michael Joseph sehr, obwohl ich ihn nur kurz kannte. Er hatte für alle ein Herz, egal, ob arm oder reich, ob sympathisch oder unsympathisch.«
Da tauchte Delion wieder auf. Er schüttelte den Kopf. »Ich musste es noch mal versuchen. Keinen Zweck.«
Dane sagte: »Inspektor Delion meint damit, dass wir Sie nicht in
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