Denen man nicht vergibt
Giradelli Square gingen, hatte sie sich noch mal Pommes frites bestellt.
Aber bevor er mit ihr zur Totenwache ging, mussten sie noch kurz ins Macy’s am Union Square, um ein schwarzes Kleid für sie zu kaufen, das sie nicht nur für die Totenwache, sondern auch für die Beerdigung am Freitagnachmittag brauchte. Und schwarze Schuhe. Keiner von beiden hatte große Lust dazu, aber es musste sein.
Es war keine typisch irische Totenwache, mit jeder Menge Lärm und Lachen und noch lauterem Schluchzen und jeder Menge haarsträubender Geschichten über den lieben Verblichenen, dazu Berge von Essen und Ströme von Alkohol.
An dieser Totenwache nahmen mehr Männer in Schwarz teil, als Dane zählen konnte, alle ernst und still. Nur zwei Frauen waren anwesend, Mrs. Jones und seine Schwester, Eloise DeMarks, beide in schlichten schwarzen Kleidern, beide mit blassen Gesichtern.
Vater Binney begrüßte sie flüsternd und erzählte aufgeregt, dass sowohl Erzbischof Lugano als auch Bischof Koshlap gekommen wären. Dane war das egal, aber Vater Binney schien das als hohe Ehre für Michael zu betrachten. Sollte er ruhig.
Eloise, groß und dünn, auf deren blassem Gesicht der rote Lippenstift richtig grell wirkte, war ebenso wie ihre Brüder dunkelhaarig und dunkeläugig. Gramgebeugt und schweigend stand sie da, genauso wie ihre Mutter es in jenen sechs schrecklichen Monaten gewesen war, bevor sie ihren Vater, einen unverbesserlichen Frauenhelden, verlassen hatte. Dane wusste nicht, ob sein Vater vom Tod seines Sohnes erfahren hatte. Sie hatten ihn nicht erreichen können. Ihre Mutter war während einer Safari in Westafrika an einem Blinddarmdurchbruch gestorben. Dane wusste noch, dass sie damals auch keinen Ton von ihrem Vater gehört hatten.
Dane wollte die Leiche seines Bruders nicht noch einmal sehen. Er hätte es nicht noch ein weiteres Mal ertragen können. Er stand ganz hinten an der Wand der Kapelle, unbewegt, schweigend, die Arme an den Seiten herunterhängend, mit dem einzigen Wunsch, dass es bald vorbei sein möge.
Sein Bruder war tot. Er vergaß das tagsüber manchmal, nur um dann umso härter von der Realität getroffen zu werden - von der schrecklichen, endgültigen, brutalen Realität: Er würde seinen Bruder nie Wiedersehen. Nie wieder. Nie wieder ein Anruf, nie wieder eine E-Mail, nie wieder ein blöder Witz über einen Priester, einen Rabbi und einen Prediger...
Wie schaffte man es, so etwas zu ertragen?
Nick stand direkt hinter ihm. Sie ergriff seine Hand und löste behutsam die Faust. Ihre Haut war rau, aber warm. Sie sagte: »Sie versuchen, Vater Michael Joseph die Ehre zu erweisen, so gut sie eben können. Aber es ist trotzdem furchtbar hart, nicht?«
Er konnte nicht sprechen. Also nickte er nur. Er spürte, wie sie seine Hand streichelte, wie sie sanft seine Finger massierte, seine verkrampften Muskeln lockerte.
Sie sagte: »Ich möchte ihn noch ein letztes Mal sehen.«
Er erwiderte nichts darauf, sah sie auch nicht an, bis sie wiederkam und sich neben ihn stellte.
»Er ist wunderschön, Dane. Und er ruht wirklich in Frieden. Das dort ist nur sein Körper, nicht sein Geist. Ich glaube fest daran, dass es einen Himmel gibt, und da Vater Michael Joseph ein so wunderbarer Mensch war, ist er bestimmt dort und schaut jetzt wahrscheinlich auf uns herunter. Sicher freut er sich, dass Sie da sind und dass es Ihnen gut geht. Und er weiß bestimmt, wie sehr Sie ihn lieben, daran zweifle ich keine Sekunde. Bestimmt sieht er Ihren Schmerz. Es tut mir Leid, Dane, es tut mir so Leid.«
Er fand keine Worte. Schweigend drückte er ihre Hand. Dann sagte er: »Vor drei Wochen war Weihnachten - mein Gott, erst drei Wochen ist das her! Michael und ich sind nach San José zu Eloise, ihrem Mann und unseren Neffen gefahren. Michael hat mir einen Football geschenkt, mit einem Autogramm von Jerry Rice darauf. Er liegt zu Hause auf meinem Kaminsims. Der Hammer ist, dass Jerry jetzt zu den Oakland Raiders gewechselt hat. Michael hielt das für den größten Witz. Jerry in Silber und Schwarz. Ich habe ihn nicht mehr gesehen, seit wir am siebenundzwanzigsten auseinander gingen.«
»Und was haben Sie Vater Michael Joseph zu Weihnachten geschenkt? Es tut mir Leid, aber ich glaube, ich werde ihn nie einfach nur Michael nennen können.«
Dane sagte: »Das ist schon in Ordnung. Ich habe ihm eine Frisbee-Scheibe geschenkt. Hab gesagt, ich möchte sehen, wie er mit flatternder Soutane hinter dem Ding herjagt. Und ich habe ihm ein
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