Denk doch, was du willst
das ganze Gesicht.
Der schwach ausgeprägte Gesichtsausdruck erklärt sich von selbst: Er ist eben schwach ausgeprägt. (Solche überzeugenden Sätze liebe ich.) Er spricht für ein unterdrücktes Gefühl oder auch für eine nur sehr schwach empfundene Emotion. Es kann daher ebenso sein, dass ein Gesprächspartner seine Emotion zu unterdrücken versucht, ihm das allerdings nicht vollends gelingt. Auch beim langsamen Aufkommen eines bestimmten Gefühls beginnt die Mimik sich erst schwach zu formen, wird aber allmählich immer deutlicher.
Der Mikroausdruck oder die Mikromimik kommt zustande, wenn unsere Emotionen spezielle Muskeln in unseremGesicht kurz aktivieren, die wir dann sofort zu kontrollieren versuchen. Trotz der direkten Kontrolle entsteht oft ein Gesichtsausdruck, den wir innerhalb von Sekundenbruchteilen kontrollieren – der Mikroausdruck.
Die Mikromimik erstreckt sich gewöhnlich über das ganze Gesicht. Das muss aber nicht immer der Fall sein. Es gibt auch Momente, in denen eine Mikromimik partiell oder auch nur sehr schwach ausgeprägt ist. Der neue Ausdruck ist dann nur extrem kurz zu sehen, etwa nur eine Fünftelsekunde lang. Wenn Sie als Beobachter in dem Moment blinzeln, nehmen Sie ihn womöglich nicht wahr. Der Mikroausdruck ist extrem verräterisch. Er offenbart meist ein Gefühl, das die betreffende Person unbedingt verbergen möchte. Ihr Gesprächspartner will offensichtlich nicht, das Sie erfahren, was er fühlt. Es kann auch ein unbewusstes Ausdrücken eines Gefühls sein. Gewöhnlich ist der Ausdruck leicht asymmetrisch, er erscheint und verschwindet ruckartig.
Bevor wir uns jetzt die einzelnen Regungen genauer anschauen werden, ist etwas entscheidend: Wenn Sie in der Lage sein wollen, Ausdrücke zu deuten, müssen Sie wissen, welches Gesicht Ihr Gegenüber zeigt, wenn es keine besondere Gefühlsregung aufweist, die Person sich also neutral verhält. Wie immer muss auch hier kalibriert werden. Kommen wir nun aber zu den einzelnen Emotionstypen und ihrer Entsprechung in unserem Gesicht.
Überraschung
Das ist natürlich meine Lieblingsregung. Mein Abendprogramm ist darauf ausgelegt, diesen Ausdruck bei meinen Zuschauern zu erzeugen, genauso wie die Freude.
Die Überraschung zeigt sich von allen Emotionen am kürzesten. Sobald wir wissen, was Sache ist, sind wir auch schon nicht mehr erstaunt. Sobald das Unerwartete verarbeitet ist, geht der Ausdruck der Überraschung auch schon in einen anderen Gesichtsausdruck über. Dabei sind die Übergänge übrigens fließend. Da es in der Natur der Sache liegt, dass eine Überraschung uns immer kalt erwischt, können wir sie praktisch nicht verbergen. Solange wir nicht vorher behaupten, von einem Ereignis genau zu wissen, ist es für unser Gegenüber auch kein Problem, wenn sich in unserem Gesicht Überraschung zeigt. In den anderen Fällen – in denen wir unsere Überraschung verbergen wollen –, haben wir Pech gehabt, denn wir haben bei einer echten Überraschung fast keine Zeit, unser Verhalten zu überprüfen.
Es gibt in der Emotionsforschung durchaus Meinungsverschiedenheiten, ob Überraschung eine echte Emotion ist oder nicht. Ich möchte diese Diskussion nicht unerwähnt lassen, aber hier nicht weiter darauf eingehen, weil es uns an dieser Stelle nicht weiterhelfen würde. Überraschung kann man gut im Gesicht erkennen, und das allein ist hier von Bedeutung.
Wichtig ist es allerdings, eine Unterscheidung zwischen Überraschung und Schreck zu machen. Der ist nämlich eindeutig keine Emotion, darin sind sich alle Forscher einig. Erschreckt sein und überrascht sein spiegeln sich im Gesicht auch ganz anders wider. In meinen Seminaren gehe ich gern ganz langsam durchs Publikum und schreie eine Person plötzlich aus heiterem Himmel an. Ja, meine Seminare sind für die Beteiligten ein großer Spaß. Fast alle Betroffenen kneifen in diesen Momenten die Augen fest zu, senken die Augenbrauen und spannen die Lippen an. Bei einer Überraschungdagegen öffnen wir die Augen weit, ziehen die Augenbrauen nach oben, und uns fällt die berühmte Kinnlade runter. Unterschiedlicher kann ein Gesichtsausdruck kaum sein. Außerdem ist Schreck noch kürzer als Überraschung, und er kann unmöglich unterbunden werden. Selbst wenn Sie jemandem sagen, dass es gleich ganz laut knallen wird, er wird beim Knall trotzdem Anzeichen von Schreck zeigen – außer er ist taub. Bei Überraschung ist das nicht so. Sie äußert sich in der Mimik
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